Analyse
: Kurswechsel in Grosny

■ Der tschetschenische Präsident Maskhadow feuert die ganze Regierung

Der Präsident der Kaukasusrepublik Tschetschenien, Aslan Maskhadow, entließ zu Jahresbeginn seine gesamte Regierungsmannschaft. Shamil Basajew, Feldkommandeur, spektakulärer Geiselnehmer eines Krankenhauses im russischen Budjonnowsk während des Krieges und bereits erster stellvertretender Vizepremier, wurde beauftragt, eine neue Regierung zu bilden. Das Revirement bedeutet mehr, als erfolglose Minister gegen vermeintlich effektivere auszuwechseln. Dahinter steckt ein Kurswechsel. Die Kritik am gemäßigten Präsidenten Maskhadow spitzte sich in den letzten Monaten zu. Der Kriminalität konnte er nicht Herr werden. Dringend benötigte Investoren bleiben in einer Atmosphäre krimineller Berohung und Erpressung aus.

Doch galt die Unzufriedenheit auch Maskhadows versöhnlicheren Haltung gegenüber Moskau und dessen ehemaligen tschetschenischen Vassalen, die er nicht ungeprüft aus dem Verwaltungsdienst der Republik Itschkerija „säuberte“. Nicht zuletzt stört die radikaleren Muslime, daß der ehemalige Oberkommandierende der tschetschenischen Truppen an dem weltlichen Charakter der Regierung festhält.

Im Kampf gegen die Kriminalität braucht Maskhadow schlagkräftige Mitstreiter. Deshalb werden bekannte Feldkommandeure in der neuen Regierung sitzen. Zumal eine heikle Aufgabe ansteht. Die vor dem Kaukasusfeldzug unter Dschochar Dudajew vorgenommenen Privatisierungen sollen auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden. Daß diese Maßnahme in der Bevölkerung auf Beifall stößt, verwundert nicht, wird der Popularität von Basajew Auftrieb verleihen.

Moskau nimmt die Entwicklung mit gemischten Gefühlen auf. Nicht allein weil Basajew in russischer Lesart ein Terrorist ist. Die neue Führung in Grosny wird alles daransetzen, das kaukasische Thema wieder auf die Agenda des Kreml zu heben. Bisher verfolgte Moskau die Linie, die ungelösten Probleme an seiner südlichen Flanke einfach zu ignorieren. Moskau vertraut darauf, die brisante soziale Lage werde zur Implosion führen. Die abtrünnige Republik ließe sich dann ohne Anstrengungen wieder einsammeln. Zusagen, Grosny Gelder für den Wiederaufbau zur Verfügung zu stellen, haben ihren Adressaten noch nicht erreicht. Ziel ist es, die Republik gänzlich zu isolieren. Die Grenzkonflikte und Überfälle in der Nachbarrepublik Dagestan ergeben in dieser Logik einen Sinn, da sie den Brandherd am Köcheln halten. Noch immer wirken in Rußland Kräfte, denen an einem Frieden im Kaukasus nicht gelegen ist. Klaus-Helge Donath