Algeriens Islamisten sind längst nicht mehr geeint

■ Seit die FIS mit dem Militärregime Frieden geschlossen hat, kämpfen die GIA gegen beide

Die in Deutschland ansässige Auslandsleitung der Islamischen Heilsfront (FIS) verurteilte am Samstag in einem Kommuniqué die Massaker in Relizane als „feige Tat“ und die Urheber als „kriminelle Gruppen“. Das Schreiben kann die Ratlosigkeit der einst führenden islamistischen Kraft Algeriens über die sich zusehends verschlechternde Sicherheitslage nicht verheimlichen. Immer öfter werden ausgerechnet diejenigen zum Opfer der radikalen Bewaffneten Islamischen Gruppen (GIA), die der FIS bei den vom Militär anullierten Wahlen von Ende 1991 ihr Vertrauen schenkten und nach der Machtübernahme durch das Militär Anfang 1992 deren bewaffneten Arm, der Armee des Islamischen Heils (AIS), Unterschlupf boten.

Nach den großen Massakern des Herbstes hatte die AIS einen Waffenstillstand verkündet, um die Verantwortlichen „der abscheulichen Massaker an Unschuldigen“ zu isolieren und Algerien zurück zum Frieden zu führen. Nun scheint die Zivilbevölkerung für den Deal zwischen den AIS- Führern Madani Mezerag und Ben Aicha und dem Oberbefehlshaber der algerischen Armee, Mohamed Lamari, zu bezahlen. Auch wenn die Regierung von Präsident Liamine Zéroual bis heute bestreitet, irgendwelche Zugeständnisse an die AIS gemacht zu haben, beharren Kreise um die FIS-Auslandsleitung: Der Waffenstillstand sei zweiseitig und das Ergebnis von mehr als einem Jahr intensiver Verhandlungen. Man habe erreicht, daß sich die AIS-Kämpfer in den letzten Monaten wieder in das normale Leben eingliedern konnten. Nach Erkenntnissen von Luis Martinez, Maghrebspezialist des französischen Zentrums für Internationale Forschungen (CERI), machen Teile der ehemaligen AIS gar zusammen mit den auf Aufforderung der Regierung gegründeten „Selbstverteidigungskomitees“ und der Armee in der Mitiya, der fruchtbaren Ebene vor den Toren Algiers, Jagd auf GIA-Kommandos. FIS-Kreise wollen dies nicht dementieren.

Dem Druck dieser Militäroperationen weichend, scheinen sich Teile der GIA-Kommandos nun in den Westen des Landes zurückgezogen zu haben. Wo sich einst die AIS versteckte, scheinen sich jetzt die GIA einzunisten. Daß die Bevölkerung dieser Dörfer zu den „Verrätern“ aus FIS und AIS gehört, begründet die grausamen Bluttaten. wand