Kommentar (siehe auch S. 22)
: Laissez-faire-Vollzug

■ Knast-Skandal nützt Konservativen

Die Forderung der CSU, den offenen Strafvollzug abzuschaffen, ist verantwortungslos und absurd. Die Aussage von Christian Wulf, Chef der niedersächsischen Christdemokraten, der Strafvollzug müsse sich davon verabschieden, aus jedem Straftäter einen ehrbaren Bürger machen zu wollen, ist eine Bankrotterklärung an das „C“im Namen seiner Partei. Doch den Herren von CDU und CSU geht es nicht um den offenen Strafvollzug. Die Bundestagswahl steht vor der Tür, und die Angst vor Straftätern, die im Vollzug angeblich nicht genügend im Zaum gehalten werden, eignet sich hervorragend, um die Stimmen braver Bürger zu fangen.

Ulrich Mäurer, Staatsrat im SPD-geführten Justizressort, schreit auf, und zwar zu Recht. Er muß sich allerdings auch entgegenhalten lassen, daß gerade der Skandal um die Justizvollzugsanstalt Oslebshausen ein Klima geschaffen hat, in dem solche Forderungen prächtig gedeihen. Mißhandelte Häftlinge und spektakuläre Ausbrüche hatten im vergangenen Jahr immer wieder für negative Schlagzeilen gesorgt. Der liberale Strafvollzug war in Bremen zum „Laissez-faire-Vollzug“verkommen. Die Häftlinge waren der Willkür der Beamten ausgeliefert. Der Anstaltsleiter war offensichtlich überfordert und hatte die Kontrolle verloren. Hätte das Justizressort damals früher reagiert, wären die Argumente der Gegner des liberalen Strafvollzugs heute schwächer. Kerstin Schneider