Beruhigend unübersichtlich

■ Die Bahn-AG führte bereits vor gut einem Jahr ein neues Wegeleit- und Informationssystem als Pilotprojekt ein. Schilder fehlen jedoch, Fahrgäste sind von unterschiedlichen Farben irritiert

Wer in den vergangenen Monaten am S-Bahnhof Friedrichstaße auf die Toilette mußte, hatte es schon schwer genug: Wöchentlich war ein anderer Gang verschlossen, dafür ein holzverkleideter Ersatz geschaffen, der einen mitnichten immer dorthin brachte, wo man hinwollte. Und das in Situationen, wo Sekunden entscheiden können!

Das Labyrinth soll jetzt, geht es nach der der Abteilung „Konzeption und Gestaltung“ der Bahn AG (die auch die S-Bahn unter ihren Fittichen hat), wenigstens bunter werden. Die S-Bahnhöfe zwischen Alex und Tiergarten sind nämlich, neben Pendelverkehr und Bahnhofssanierung, bereits seit Oktober 1996 Schauplatz eines Pilotprojektes: Ein neues „Wegeleit- und Informationssystem“ auf S- und Fernbahnhöfen wird ausgerechnet auf den unübersichtlichsten Bahnhöfen der Republik getestet. Will heißen, die guten, alten, schwarz auf weiß bedruckten Hinweisschilder, die Gleisnummern, Ausgänge und eben auch Toiletten auf einer Fläche vereinten, werden bald der Vergangenheit angehören. In Zukunft sollen diese Informationen auf einzelnen Schildern in drei Grundfarben dargestellt werden: Blau für „Reise-Infos“ (Richtung, Gleis etc.), Grau für „weiterführende Verkehrsmittel“ und Gelb für „Service“ (Toiletten, Telefon etc.). Nur: Bislang hängen nur die blauen Exemplare, das heißt deutlich weniger Informationen – für die Blase fatal.

Für Christfried Tschepe vom Fahrgastverband macht die ganze Aktion wenig Sinn: „Hier kommt die Ästhetik vor der Funktionalität. Es ist unübersichlicher, mit blauem Untergrund schwerer lesbar und entfernt dieses System noch mehr von dem der BVG.“ Und genau das sollte eigentlich Vorrang haben: ein Verbundraum mit einen Leitsystem. Marlene Schwarz, Sprecherin der Bahn AG, dagegen sieht die internationalen Zusammenhänge: „Der blaue Untergrund wird auf vielen europäischen Bahnhöfen benutzt. Es geht hier um Vereinheitlichung.“ Laut Tschepe ist jedoch sogar die S-Bahn-Verwaltung gegen das System: „Die können das nur nicht laut sagen.“ Sein Beweis: Die gerade eröffneten S-Bahnsteige Jungfernheide und Sonnenallee haben auf Druck hin die alten Schilder aufgehängt. „Das System ist was für die Fernbahn und nichts für den Nahverkehr.“

„Die sind aber nicht gut lesbar, die blauen Dinger“, ereifert sich denn auch die Rentnerin Marianne H. aus Mitte. „Da werden meine Augen ja noch schlechter“, fügt sie lachend hinzu. Dem kann Marlene Schwarz etwas entgegensetzen: „Laut Gesundheitsamt wirkt die Farbkombination Blau-Weiß beruhigend.“ Tobias Riegel