Weltweite Gier nach Afrikas Reichtümern

Von Angola bis zum Kongo: Das südliche Afrika ist Schauplatz einer skrupellosen Rivalität der Wirtschaftsmächte  ■ Von Dominic Johnson

Für Denis Sassou-Nguesso beginnt das Jahr 1998 gut. Der Militärherrscher von Kongo- Brazzaville, der im Oktober nach einem blutigen Bürgerkrieg seinen Vorgänger Pascal Lissouba stürzte, eröffnete gestern ein „Forum für Einheit und Nationale Versöhnung“ mit 850 von der Regierung handverlesenen Delegierten, die ihn an der Macht bestätigen sollen. Welcher Art die „nationale Versöhnung“ sein soll, machte Sassou- Nguesso bereits in seiner Neujahrsansprache klar: „Jene Landsleute, die sich auf den Weg der Spaltung der Nation begeben haben und die Nation in ihrer Verfassung, Existenz und Unteilbarkeit gefährdet haben, verdienen absolut nicht die Vergebung des Volkes.“

Der neue Herrscher kann bei der Errichtung eines faktischen Einparteienstaats auf die feste Unterstützung der neuesten regionalen Allianz in diesem Teil Afrikas zählen: Frankreich und Angola. Frankreichs Präsident Jacques Chirac ist ein alter Freund von Denis Sassou-Nguesso und hat ihn seit seiner Machtergreifung ausgesprochen bevorzugt behandelt, mit massiver humanitärer Hilfe und einem einwöchigen Staatsempfang in Paris.

Angola, dessen Präsident Eduardo dos Santos dem Kongolesen ebenfalls aus alten marxistischen Zeiten eng verbunden ist, führte mit der Entsendung mehrerer tausend Truppen Mitte Oktober Sassou-Nguessos Sieg herbei. Die Angolaner sind bis heute im Ölfördergebiet an der Atlantikküste von Kongo-Brazzaville stationiert – mit Duldung des mächtigen französischen Ölmultis Elf, der nach Überzeugung des gestürzten Pascal Lissouba direkt zugunsten Sassou-Nguessos eingegriffen hat.

Kongo-Brazzaville ist das größte Ölland des frankophonen Afrika – und Sprungbrett in neue Einflußzonen. Kein Konzern entdeckt derzeit soviel Öl im Meer vor Angolas Küste wie Elf. Dessen Konzession um die Bohrfelder Dalia und Girassol nordwestlich von Angolas Hauptstadt Luanda könnte nach neuesten Erkenntnissen etwa zwei Milliarden Barrel enthalten. Es wäre das größte Offshore-Fördergebiet Afrikas. Französische Konzerne wollen sich außerdem am Wiederaufbau des angolanischen Eisenbahnnetzes beteiligen und eine Hochspannungsleitung von Angola nach Namibia bauen.

Als neue Wirtschaftsmacht im südlichen Afrika wird Frankreich zwangsläufig zu einem Partner Südafrikas. Der Traum von einer Achse Paris–Pretoria gehört zu den Konstanten des französischen Interesses in Afrika. General Charles de Gaulle half beim Aufbau der südafrikanischen Atomindustrie, François Mitterrand wünschte sich eine Sonderbeziehung mit Nelson Mandela, und auch die aktuelle Umdefinition der französischen Afrikapolitik nach dem Debakel in Zaire betont Südafrikas Rolle.

Frankreichs Drang nach Süden in Afrika verstärkt die Rivalität mit den USA in einer Weltregion, die Washington gerade erst entdeckt hat. In Konkurrenz zu Elf hofft auch der US-Konzern Exxon auf den Zuschlag für die letzte noch nicht vergebene Ölkonzession vor der angolanischen Küste. US-Außenministerin Madeleine Albright versprach Angola bei ihrem Besuch im Dezember US-Investitionen im angolanischen Ölsektor von 700 Millionen Dollar über die nächsten zwei Jahre.

Das US-Interesse an der Region fügt sich genauso wie das französische in ein größeres Konzept ein. Daß das südliche Afrika zusammen mit der Demokratischen Republik Kongo ein neuer Wachstumspol sein könnte, gehört seit dem Sturz der Mobutu-Diktatur in Zaire zu den Gemeinplätzen der US-amerikanischen Außenpolitik. In den letzten Jahren haben die Vereinigten Staaten von Äthiopien über Uganda und Ruanda bis zur Demokratischen Republik Kongo ein Netz von Verbündeten aufgebaut.

Aber in den letzten Monaten kontrastieren die französischen Erfolge auffällig mit Rückschlägen für die USA. Die Demokratische Republik Kongo, deren Präsident Laurent Kabila im Mai 1997 mit Unterstützung der USA an die Macht kam, wirft jetzt die US- Konzerne wieder aus dem Land, mit denen es erst vor kurzem Verträge abgeschlossen hatte. Erstes Opfer war die in Bill Clintons Heimatstadt Hope beheimatete „American Mineral Fields International“ (AMFI), die am 16.April – einen Monat vor Mobutus Sturz – mit den Kabila-Rebellen einen Vertrag über Investitionen von einer Milliarde Dollar zur Zinkveredelung und zum Abbau von Zink, Kupfer und Kobalt in der kongolesischen Südprovinz Katanga abschloß. Der staatliche kongolesische Bergbaukonzern Gecamines erklärte diesen Vertrag Ende Dezember für ungültig und nannte als Grund das Ausbleiben der vereinbarten Vorauszahlungen von AMFI. Ende vergangener Woche kündigte Gecamines auch die Überprüfung des anderen großen kongolesischen Vertrages mit einer US-Firma an – die am 12.Mai vereinbarte Ausbeutung der Kupfer- und Kobaltmine von Tenke- Fugurume in Katanga durch ein US-geführtes Konsortium.

Der Annullierung des AMFI- Vertrags ging beträchtlicher Druck des südafrikanischen Bergbaukonzerns Anglo- American voraus. Schon zu Mobutus Zeiten interessierte sich Südafrika für eine mögliche Privatisierung der maroden zairischen Staatsfirma Gecamines, die den Schlüssel zu unermeßlich reichen Bodenschätzen hält. Die Annullierung des AMFI-Vertrags vollzog Kabilas Wirtschaftsminister Pierre Mpoyo, dem enge Beziehungen zu Anglo-American nachgesagt werden. Nun wurde Mpoyo am vergangenen Wochenende von Kabila zum „Staatsminister“ für Wirtschaft und Öl ernannt – ein neuer übergeordneter Kabinettsrang, den ansonsten nur Kabilas Neffe Gaetan Kakudji, zugleich Gouverneur von Katanga, als Staatsminister für Inneres innehat.

Mpoyos Beförderung ist nur einer von vielen Hinweisen, daß Kabila sich von seiner Bindung an Ruanda und Uganda – enge Verbündete der USA – löst und sich Südafrika und Angola zuwendet, die zunehmend zu Frankreich tendieren. Die von Frankreich und Angola unterstützte Machtergreifung Sassou-Nguessos in Brazzaville im Oktober war ein Warnsignal, das möglichen Ambitionen zum Export der Kabila-Revolution in das frankophone Afrika vorerst einen Riegel vorgeschoben hat. Seitdem versichern Politiker in Kinshasa immer wieder ihren Wunsch nach guten Beziehungen zu Brazzaville, und an der Staatsspitze werden die von Ruanda und Uganda geförderten Personen verdrängt. Zugleich hat Frankreich seine lange Unterstützung für Mobutu als Fehler anerkannt und sucht einen Neuanfang mit Kinshasa. Das wäre nun wirklich ein erstaunlicher Wandel.