Nachgefragt
: „Das gibt Frust“

■ Bremens Arbeitsamtschef Hawel über neue Regeln für Arbeitslose

taz: Neue Regeln bringen Arbeitslosen jetzt einige Änderungen. Welche haben die weitreichendsten Folgen?

Arbeitsamtsdirektor Christian Hawel: Daß die Geldleistungen nur noch monatlich nachträglich kommen. Das wird Probleme bringen und zur Folge haben, daß wir Barzahlungen erhöhen müssen, weil die Leute kein Geld haben – aber einen Anspruch. So werden wir tageweise Geld auszahlen. Der Mensch muß ja von irgendwas leben. Oder wir werden Absprachen mit Sozialämtern treffen, damit die in Vorleistung gehen.

Mehr Rennerei für Arbeitslose und für Mitarbeiter des Arbeitsamtes also.

In der Übergangszeit von einem halben Jahr, ja. Das wird zu Frust führen. Zumal die Leute ja etwas anderes gewöhnt waren.

Arbeitslose müssen neuerdings auch Eigeninitiative nachweisen...

Ja, erstmal muß sich jetzt jeder alle drei Monate persönlich arbeitslos melden, sonst wird die Leistung eingestellt.

Das heißt, man wird bestellt und muß pünktlich erscheinen?

Das muß sich einspielen. Wir werden sicher nicht gleich mit dem Gesetzesknüppel kommen, aber das persönliche Erscheinen ist Voraussetzung; anrufen reicht nicht.

Volle Gänge, lange Wartezeiten also auf dem Amt?

Ja, im Augenblick ist das ein organisatorisches Problem. Eine Gruppe erschien ja sowieso immer von selbst, aber es gibt einen Graubereich von Personen, der künftig vorbeikommen muß – und den wir nicht einschätzen können. Neu ist auch, daß man Arbeitslosengeld nur nach einem Versicherungspflichtverhältnis bekommt. Beispiel: Wer in einer Bildungsmaßnahme war, erwarb da bislang einen erweiterten Anspruch. Das ist vorbei. Unterhaltsgeld bringt keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr.

Neuerdings gelten Leute dann nicht mehr als arbeitslos, wenn sie nur 15 Stunden die Woche arbeiten.

Ja. Früher lag die Grenze bei 18 Stunden.

Dazu kommt aber auch, daß jetzt verschiedene Beschäftigungsverhältnisse zusammengerechnet werden können. Wer in mehreren Jobs über 15 Stunden pro Woche arbeitet, ist nicht mehr arbeitslos. Nehmen wir beispielsweise eine Pflegerin mit drei Anlaufstellen im Pflegebereich, die bislang unter die 610 Marks-Grenze fiel. Daraus folgt dann aber andererseits auch das Teil-Arbeitslosengeld. Wenn also eine Stelle „untergeht“, gibt es dafür Teilarbeitslosengeld bis sechs Monate.

Umstritten ist die Pflicht zur Eigeninitiative bei der Jobsuche.

Ja, da muß durch Rechtssprechung und unser Haus noch geklärt werden, was genau darunter zu verstehen ist. Dahinter steht ja schlimmstenfalls der Entzug von Leistungen.

Also müssen Arbeitslose jetzt noch keine Jobabsagen sammeln und bei Ihnen vorlegen?

Im Grunde doch. Denn sie müssen ja belegen, was sie tun, um ihre Arbeitslosigkeit zu beenden. Das Versicherungsprinzip kommt stärker zum Tragen. Dabei versucht man, den Schaden bei der Versicherung so gering wie möglich zu halten.

Wer arbeitslos wird, bekommt bald auch nicht mehr die volle Abfindung.

Ja, das wird ein Juckepunkt. Es hat da nach Protesten zwar schon eine gewisse Anpassung gegeben, so daß man jetzt einen Freibetrag bis 10.000 Mark hat, und der Rest wird nach dem Abzug der Steuern angerechnet. Aber das ist heikel.

Fragen: Eva Rhode