Auf der Pirsch nach Marmelade in China

Eine Jobbörse vermittelt abgewickelte DDR-Außenhändler an interessierte Firmen in der ganzen Bundesrepublik, die in asiatischen Ländern investieren wollen. Ihr Vorteil: Große Kenntnis von sozialistischer Wirtschaft  ■ Von Gunnar Leue

Welches Marktpotential hat Marmelade in China, wieviel Gaskocher brauchen die Chinesen künftig (möglicherweise zum Marmelade-Selberkochen), und wie stehen wohl die Absatzchancen für Wasseraufbereitungsanlagen im Reich der Mitte? Die Beantwortung solcher für deutsche Exportunternehmen spannenden Fragen gehört zum normalen Geschäft der Pankower Getas-Consult GmbH.

Ungewöhnlich ist dagegen, wer in der 1990 gegründeten Unternehmensberatung, die übrigens eine hundertprozentige Tochter der Hamburger Marktforschungsfirma GFM ist, solch marktwirtschaftliche Grundlagenforschung betreibt. Fünf von sieben Mitarbeitern waren zwar schon früher im Asienhandel aktiv – allerdings allein zum Wohle der DDR-Planwirtschaft. Sie gehörten zum Heer der 22.000 staatlichen Außenhändler (davon waren 15.000 in Berlin ansässig), denen der Zusammenbruch der DDR ein mehr oder weniger abruptes Karriereende bescherte.

Während es für die meisten gleichbedeutend war mit einem dauerhaften Berufsausstieg, zählen die Mitglieder im kleinen Getas-Kollektiv zu den wenigen, die jetzt im Dienste des Marktes internationalen Handel organisieren. Geschäftsführer Horst Eckert findet den Rückgriff auf die Ostler sehr weitsichtig. Schließlich hätten die zu ihren Insiderkenntnissen noch einen gewissen „Stallgeruch“, womit er wohl die gemeinsame Sozialismus-Prägung meint. Jedenfalls sei dies in den Augen der „immer noch vielen einflußreichen Parteisekretäre in China“ kein Makel. Und auch die rund 1.000 leitenden Manager in Vietnam hätten nicht vergessen, daß sie ihre Ausbildung einst in der DDR erhielten, weiß Eckart. Für ein ganz besonderes Kapital der DDR-Außenwirtschaftler hält er deren Erfahrungen mit den Unwägbarkeiten der Planwirtschaft Made in Fernost. „Wer sich beim Aufbau eines Fleischkombinats in der Mongolei durchbeißen konnte“, habe bewiesen, „daß er auch heute für das Ausdauer verlangende Asiengeschäft geeignet ist“.

Weil allgemein jedoch viel Unkenntnis über die komplizierte Lage in der mongolischen Volkswirtschaft herrscht, konnte sich mancher Kunde ein erstauntes „Ach so?“ nicht verkneifen, als er vom Vorleben der Asienspezialisten hörte. „Die mußte man mit Leistung überzeugen“, sagt der studierte Sinologe Matthias Spillecke. Daß das gelang, und zwar ziemlich gut, beweist die Kundenkartei. Mittlerweile arbeitet Getas für mittelständische Firmen in ganz Deutschland, die den verschiedensten Branchen – von der Elektrotechnik bis zu Lederwaren und Telekommunikation – angehören. Während die einen Firmen bereits konkrete Vorstellungen von ihrem Investment in Asien haben, beginnen andere bei Null und wollen erstmal ihre Marktchancen und potentiellen Partner erfahren. Allein für die Marktforschung in China sind 700 einheimische Interviewer im Einsatz, die von den Trinkgewohnheiten ihrer Landsleute bis zum Wohnraumbedarf alles erkunden. Darüber hinaus organisieren die Pankower Kundenkontakte, stimmen Verhandlungen ab oder bereiten Reisen vor wie derzeit eine von Mittelständlern nach Laos.

Und ganz nebenbei leistet Getas auch noch einen Solidarbeitrag für arbeitslose Exkollegen, die wieder in den Außenhandel einsteigen möchten. Seit einigen Wochen landen nämlich nahezu täglich Faxe im Getas-Büro, die konkrete Bewerbungen für einen Job in China, Indien oder Vietnam enthalten. Die provisorische Arbeitsvermittlung ist eine Folge des neuen Berliner Wegs, eine Art „Zurück in die Zukunft“, den der Wirtschaftssenator derzeit beschreitet. Elmar Pieroth will nämlich das Wissen der Ostler zum Aufschwung der lahmenden Berliner Exportwirtschaft nutzen. Dazu hatte der CDU-Senator die Exaußenhändler im Sommer zu einem ersten Treffen geladen und versprochen, sie künftig mit interessierten Firmen zusammenzubringen.

Auf zwei Kontaktbörsen für Asien- und kürzlich für Osteuropaspezialisten kam das Kaderroulett jetzt in Gang, allein von den Asienexperten fanden 20 einen neuen Job. Ingesamt hatte der Senat mehrere tausend Unternehmen im ganzen Bundesgebiet angeschrieben. Weil die meisten Firmen ihr Interesse jedoch schriftlich bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft anmeldeten und dort andererseits „Bewerbungsschreiben mit Lebenslauf ,blind‘ eingingen, die wir weiterleiten sollten“, wie Wolfgang Hummel berichtet, kam man auf die Idee einer Interessentenkartei. Um die nicht zur Konkurrenz zum Arbeitsamt zu machen, übertrug die Senatsverwaltung die Sache der Getas, „als eine Art Soliakt gegenüber den alten Kollegen“.

Allerdings fühlen sich manche Ex-DDRler in ihren Comeback- Hoffnungen auch von teilweise unverhoffter Seite gedämpft. So findet eine junge Laos-Expertin, daß sie und ihre Kollegen vor allem als Konkurrenten angesehen werden. Als Beispiel führt sie an, daß von seiten der BAO Marketing Service GmbH, die die Absatzförderung für Berliner Firmen unterstützen soll, noch kein einziges Mal ein gewisses Maß an Kooperationsbereitschaft zu spüren gewesen sei.

Dabei verfügen die abgewickelten Außenhändler über einiges Wissen, das durchaus Geschäftsaktivitäten fördern könnte. So erstellten die Getas- Leute eine Broschüre, in der alle von der DDR in Vietnam verwirklichten Industrieprojekte aufgelistet sind. Schließlich ist inzwischen die Zeit heran, wo Reparaturen fällig werden – für entsprechende Firmen eine wertvolle Information.