Die Sache mit dem Wunderbaum Von Carola Rönneburg

Ich bin ganz bestimmt nicht überempfindlich. Wahrscheinlich nehme ich Gerüche genauso gut oder schlecht wahr wie jeder andere. Vielleicht sogar schlechter, schließlich rauche ich.

Danke, ich hätte lieber eine von meinen.

Nehmen Sie meine erste Wohnung: Die lag zwischen dem Schlachthof und einem Gewürzwerk – Sie können sich vielleicht vorstellen, was da an heißen Sommertagen mit einem lauen Lüftchen ins Zimmer geweht kam. Vor dem Frühstück. Aber deshalb wäre ich dort nie ausgezogen. Und es sind ja auch nicht alle Gerüche unangenehm, oder?

Einmal war ich auf einem Empfang verschiedener Cognac-Hersteller. Damals war ich noch in der Ausbildung und lebte hauptsächlich von Nudeln mit Tomatensauce oder Spinat mit Kartoffeln und Spiegelei. Und auf diesem Empfang gab es ein warmes Buffet voll französischer Köstlichkeiten, als Grundlage für die anschließende Cognac-Probe. Ich hatte mir vorgenommen, von höchstens drei Sorten zu trinken, und ich begann mit einem Cointreau-Cognac.

Nein, kein Cocktail. Ein Cognac, den das Haus Cointreau produziert. Eine sehr kleine Anbaufläche, weshalb dieser Cognac auch kaum bekannt ist. Ich hatte gerade den ersten Schluck genommen, als ein Kellner hinter mir auftauchte und mich aufforderte, an einem Wettbewerb teilzunehmen: Man sollte drei Cognacs aus blauen Gläsern probieren und so den jüngsten, zweitältesten und ältesten herausfinden. Ich wollte nicht mitmachen.

Genau, ich hatte Angst, mich zu blamieren. Ein älterer Herr neben mir drängte mich aber, es zu versuchen. Um mir nicht den Geschmack zu verderben – wie gesagt, ich wollte ja noch andere Marken verkosten –, schnupperte ich dann nur an den Gläsern und fällte ein Nasenurteil. Ich lag sogar richtig, und der ältere Herr stellte sich dann als Monsieur Cointreau vor. Er ließ eine Flasche besten Cognacs aus seinen Beständen an den Tisch kommen und machte mich wunderbar betrunken.

Ach, wenn Sie das endlich verstehen wollten – auch wenn man eine gute Nase hat, kann man doch trotzdem etwas aushalten!

Ich kann übrigens auch gut sehen, und das blendet.

Am Freitag? Das war eine Verkettung unglücklicher Umstände. Meine Nachbarn hatten ihre Eingangstür frisch gestrichen. Damit hat alles angefangen. Irgendwann roch dann auch meine Wohnung nach Lack, und ich bekam Kopfschmerzen. Danach, im Café, rauchte jemand neben mir VanilleZigaretten. Und als ich zur Toilette ging, hing dort einer dieser neuen „Duftspender“, mit denen für Parfum geworben wird. Man drückt auf einen Knopf und erhält eine reichliche Dosis Eau de Toilette. Eine Frau goß sich gerade die dritte Portion in die Hand. Zurück im Lokal bemerkte ich dann, daß inzwischen der ganze Laden nach „Poison“ roch.

Nein, ich habe nichts mehr getrunken. Ich bestellte mir das Taxi und wollte nur noch nach Hause.

Ja, ja, ja! Jawohl, ich habe den „Wunderbaum Fichte“ schon kurz nach Fahrtbeginn gerochen. Rausgeschmissen habe ich ihn aber erst an der nächsten Ampel, und daß der Rückspiegel noch dranhing, war ein Versehen. Ich möchte jetzt bitte endlich meinen Anwalt sprechen.