Skinheads planten generalstabsmäßig

Vor dem Überfall in Magdeburg schickten die Angreifer angeblich Drohbriefe: „Wir kriegen Dich, genau wie Deinen Bruder.“ Staatsanwaltschaft sieht keinen Zusammenhang zum Punker-Mord von 1997  ■ Aus Berlin Ariel Hauptmeier

Über allem steht die Frage: Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem jüngsten Skinhead-Überfall in Magdeburg auf die Wohnung des Punkers Peter Böttcher und dem Mord an seinem Bruder Frank vor einem Jahr? Die Magdeburger Staatsanwaltschaft bestreitet einen solchen Zusammenhang. PDS und Antifa- Gruppen dagegen sind sich sicher, daß es die Skinheads am vergangenen Samstag gezielt auf Peter Böttcher abgesehen hätten, einer Symbolfigur der Magdeburger Punk- Szene. Die Skins überfielen seine Wohnung und prügelten dabei einen 23jährigen Punker, der zufällig zu Gast war, halbtot.

„Die Skins sind nicht wahllos herumgezogen, um Punks aufzuschlagen“, sagt Thomas Heinrich von der örtlichen Antifa. Solche Übergriffe gehörten in Magdeburg mittlerweile zum Alltag, besonders im Neubauviertel Olvenstedt, einer Hochburg rechter Jugendgewalt im Norden der Stadt. Am Samstag seien die Angreifer quer durch die Stadt gefahren, „punktgenau“ zu Böttchers Adresse, nach der sie sich wiederholt erkundigt hätten. „Peter Böttcher hat im vergangenen Jahr mindestens 20 Drohbriefe bekommen“, sagt Heinrich. Die Botschaft darin: „Wir kriegen Dich, genau wie Deinen Bruder.“

Sylvia Niemann, Sprecherin der Magdeburger Staatsanwaltschaft, erklärte dagegen, beide Taten hätten nichts miteinander zu tun. In der Erdgeschoßwohnung von Peter Böttcher hätten wiederholt Freunde von ihm übernachtet, einige Nachbarinnen, ältere Damen zumeist, hätten sich von den Punks belästigt gefühlt. Niemann zufolge beschwerten sich die Damen wiederholt gegenüber dem Vermieter, Bekannten und Verwandten über die angeblich lautstarken jungen Leute.

„Wir kennen inzwischen die Stationen, über die die Empörung der älteren Damen bei den Skinheads angekommen ist“, sagte Sylvia Niemann. Die Klagen über den häuslichen Unfrieden seien durch Mundpropaganda weitergegeben worden. „Aber wir können schon jetzt definitiv ausschließen, daß eine der Damen die Skinheads zu einem Überfall bewogen haben könnte.“ Die Ermittlungen laufen unterdessen unter Hochdruck weiter. Die Polizei teilte gestern mit, sie fahnde nach zwei Verdächtigen.

Fest steht: Der Überfall vom Samstag war generalstabsmäßig vorbereitet. Während eine Hälfte der Gruppe die Wohnungstür eintrat, warteten die übrigen im Hinterhof auf Punker, die versuchten, durch die Fenster zum Hinterhof zu entkommen. Zweien gelang die Flucht, ein Dritter wurde niedergeschlagen. Eine Frau, die sich ebenfalls in der Wohnung aufhielt, wurde nicht behelligt. Ihr gegenüber hätten die Skins gesagt: „Wir kommen wieder“, berichtet Antifa-Sprecher Heinrich.

„Die Täter sind mit einer unglaublichen Brutalität und Menschenverachtung vorgegangen“, sagte Wolfram Klein, Chef der Magdeburger Staatsanwaltschaft. Selbst als das Opfer bereits am Boden gelegen habe, hätten die Skins mit ihren Stahlkappen-Stiefeln weiter getreten. Der Punker erlitt schwerste Kopf- und Gesichtsverletzungen und wird voraussichtlich bleibende Schäden zurückbehalten. Nach Angaben von Ärzten schwebt er aber nicht mehr in Lebensgefahr.

Gestern zogen rund 120 Jugendliche spontan und friedlich durch die Innenstadt. Für heute ist eine Mahnwache vor dem Rathaus geplant. Bei Frank Böttchers Tod vor einem Jahr hatten linke Gruppen eine Demonstration veranstaltet, wobei es zu schweren Zusammenstößen mit rechten Jugendlichen kam. „Es steht zu befürchten, daß die Skinheads wie 1997 Hatz auf alles und jeden machen“, vermutet Antifa-Sprecher Heinrich.

Matthias Gärtner, jugendpolitischer Sprecher der PDS-Landtagsfraktion, nannte die in Magdeburg regierende CDU „mitschuldig“ an der rechten Jugendgewalt. „Kürzlich haben CDU-Politiker Graffiti als Straßenterror bezeichnet“, sagte Gärtner. „Die Diffamierung alternativer Lebensformen wird von den Skins als Freibrief verstanden, gegen die angeblich bösen Punks vorzugehen.“ Gärtner warf dem Jugendamt vor, es pflege mit seiner „sozial akzeptierenden Jugendarbeit“ die rechte Subkultur, anstatt sie aufzubrechen. Laut Verfassungsschutz gibt es rund 200 gewaltbereite rechte Jugendliche in Magdeburg.