Analyse
: Verwirrende Fronten

■ Ostdeutscher Stahl: Unternehmen setzen Tarifpartner unter Druck

Es ist nur eine kleine Branche, aber der Tarifstreit in der ostdeutschen Stahlindustrie hat es in sich. Hier zeigt sich, wie verwirrend die Fronten zwischen Betrieben, Gewerkschaft und Arbeitgeberverband inzwischen verlaufen. Die klaren Fronten früherer Tarifkonflikte gibt es nicht mehr.

Bei dem Konflikt geht es vorrangig um die Frage, ob der für die westdeutsche Stahlindustrie im Herbst vereinbarte Abschluß auf die neuen Länder übertragen wird. Die westdeutschen Stahlkocher erhalten für die Zeit zwischen Oktober 1997 bis Februar 1998 eine zusätzliche Pauschale von 170 Mark, danach werden die Einkommen um 2,6 Prozent erhöht.

Bisher hat sich der Arbeitgeberverband Stahl bereit erklärt, für die 8.000 Beschäftigten der ostdeutschen Stahlindustrie lediglich Lohnerhöhungen im Volumen von etwa der Hälfte des Westabschlusses zu akzeptieren. Die IG Metall fordert die volle Angleichung an das Westniveau. Sie befürchtet, andernfalls ein negatives Signal zu setzen für die Tarifrunde in der Metallindustrie im kommenden Jahr.

Was den Tarifkonflikt bedeutsam macht ist die Ankündigung der großen ostdeutschen Stahlunternehmen, lieber Haustarifverträge abzuschließen, als einen Streik zu riskieren. Wohlgemerkt: Es geht hier nicht darum, daß Unternehmen schlechter zahlen wollen als im Ost-Flächentarifvertrag festgelegt, sondern besser, um einen Arbeitskampf zu vermeiden. Auch das gefährdet die Arbeitgeberfront – und die Streikmacht der Gewerkschaften.

Die Preussag Stahl hat für das Werk Ilsenburg schon eine eigene Lohnvereinbarung getroffen. Auch die Leitung der Sächsischen Edelstahlwerke Freital denkt über einen Alleingang und den Austritt aus dem Arbeitgeberverband nach. Die Eko Stahl GmbH in Eisenhüttenstadt mit 2.800 Beschäftigten will gleichfalls lieber einen eigenen Haustarif, als einen Streik zu riskieren. Die Rechnung der Eko Stahl ist leicht zu durchschauen: Ein Streiktag schlägt hier mit Ertragseinbußen von bis zu 750.000 Mark zu Buche. Die Lohnerhöhung dagegen belastet die Firmenkasse angeblich mit jährlich 2,3 Millionen Mark – drei Streiktage reichen also aus, um alle potentiellen Einsparungen aufzufressen.

Kann die Eko Stahl nicht mehr bestreikt werden, ist der Gewerkschaft eine wichtige Bastion genommen. Ein Bestreiken der kleineren Stahlbetriebe hätte nur weitere Haustarifverträge und entsprechend Austritte aus dem Arbeitgeberverband zur Folge. Nicht nur der Arbeitgeberverband Stahl, sondern auch IG-Metall-Chef Zwickel steht somit unter Druck. Der Arbeitgeberverband hat seine Gesprächsbereitschaft bekundet. Heute will die IG-Metall-Streikleitung über einen Arbeitskampf beschließen. Barbara Dribbusch