Pech im Spiel, Glück vor Gericht

■ Ein Spieler verklagt die Spielcasino GmbH auf Zahlung von 42.000 Mark, weil ihm trotz Selbstsperrung unter Angabe eines falschen Namens mehr als 200mal Eintritt gewährt wurde. Entgegen den Vorschriften wur

Der Neuen Deutschen Spielcasino GmbH steht ein Prozeß ins Haus, der für krankhaft Spielsüchtige einen wirksamen Schutz vor sich selbst bedeuten könnte. Ein Spieler, der trotz Selbstsperrung mehr als 200mal Zutritt zum „Casino Berlin am Alex“ bekommen hatte, hat jetzt die Betreiberin, die Neue Deutsche Spielcasino GmbH, in einem Zivilverfahren vor dem Landgericht verklagt. Er fordert 42.000 Mark, die er dort verspielt hat, obwohl er das Casino gar nicht hätte betreten dürfen. Justizsprecherin Ilona Wiese rechnet in den nächsten Monaten mit dem Prozeß.

Nach Angaben von Rechtsanwalt Christian Ströbele ist sein Mandant Mathias Günther* seit 1975 spielsüchtig. Bereits im Oktober 1987 wurde auf Anordnung eines Strafgerichts ein psychiatrisches Gutachten eingeholt, in dem eine pathologische Spielsucht diagnostiziert wurde. Weil Günther auch danach das exzessive Spielen nicht lassen konnte, beantragte er im Dezember 1988 bei der Spielbank im Europa-Center, die ebenfalls von der Neuen Deutschen Spielcasino GmbH betrieben wird, zum Schutz vor sich selbst eine sogenannte Eigensperrung. Ende Dezember des gleichen Jahres bestätigte ihm die Spielbank schriftlich die unbefristete Sperre. Solch eine Sperrung geht automatisch an alle Spielbanken in Berlin und Deutschland. Das heißt, auch der Zutritt zum Casino am Alexanderplatz, wo Günther die 42.000 Mark verspielt hat, ist dem Kläger seitdem verwehrt. Die Sperre ist vom Kläger bis zum heutigen Tag nicht aufgehoben worden.

Obwohl nach Paragraph 4 der Besuchs- und Spielordnung Eintrittskarten nur an Personen ausgehändigt werden dürfen, die sich mit einem gültigen Personalausweis oder Reisepaß ausweisen können, gelang Mathias Günther seit März 1994 über 200mal der Zutritt zum Spielcasino am Alex, ohne daß seine Identität geprüft wurde. Allein mit der Angabe des Namens „Dieter Vogel“, ein Mann, der 1995 verstorben ist, ließ das Personal ihn rein. „Gegen ein Trinkgeld des Klägers“, so Anwalt Ströbele, seien ihm die Tageskarten ausgehändigt worden.

Auf diese Art gelangte Günther im August vergangenen Jahres insgesamt zwölfmal unerlaubterweise ins Casino. Bei zehn Besuchen löste der arbeitslose Kläger zahlreiche Schecks auf das Konto seiner Lebensgefährtin ein, für das er eine Vollmacht hatte. Insgesamt handelt es sich um 105 Schecks à 400 Mark. Günther verspielte so in nur einem Monat an einzelnen Tagen Beträge zwischen 4.000 und 6.000 Mark, insgesamt 42.000 Mark. Beim letzten Besuch mußte er sich das Fahrgeld für die Heimfahrt von einer Frau borgen, die ihn bei fünf Besuchen begleitet hatte.

Die Klage begründet sich nach Angaben von Anwalt Ströbele auf die „vorübergehende Geschäftsunfähigkeit“ seines Mandanten. „Die Geistesfähigkeit des Klägers war wegen seiner pathologischen Spielsucht vorübergehend so stark gestört“, heißt es in dem Gutachten, „daß er nicht mehr in der Lage war, sein Verhalten zu kontrollieren.“ Die Spielcasino GmbH habe grob gegen die Besuchs- und Spielordnung verstoßen und einen unberechtigten Vermögensvorteil in Höhe von 42.000 Mark erlangt, heißt es in der Klagebegründung.

Die Neue Deutsche Spielcasino GmbH, die die Forderung des Klägers im September vergangenen Jahres schriftlich zurückgewiesen hat, sieht der Klage nach Angaben des Geschäftsführers, Wilfried Kämer, „gelassen“ entgegen. „Vor Gericht und auf hoher See sind alle in Gottes Hand“, sagte Kämer sibyllinisch gegenüber der taz. Nach Angaben des „Casino Berlin am Alex“ gibt es etwa fünf Selbstsperrungen pro Monat.

Spielbanken müssen 80 Prozent ihrer Bruttospielerträge plus eine Sonderabgabe für die Überschreitung einer bestimmten Grenze der Spielerträge und fünf Prozent des Tronc-Aufkommens an das Land abführen. Dieses Jahr erwartet die Finanzverwaltung über 120 Millionen Mark. Barbara Bollwahn

*Name von der Redaktion geändert