Vom Geschäftsleben Von Barbara Häusler

Mein Freund M., bekannter Jäger, Sammler und Feind aller Wegwerfer wie ich auch, fährt gerne Fahrrad. So kommt er weit herum, sieht viel und findet viel. Einmal sind wir durch einen seiner Funde beinahe reich geworden.

Januar 1990. Die Mauer war weg, und M.s Radelradius hatte sich berlinmäßig quasi verdoppelt. So kam es, daß er im „Stützpunkt für Gartenbedarf“ einer östlichen Kleingartensiedlung sehr schöne „Sowas-gibt's-bei-uns-ja-gar-nicht- mehr-Pflanzkübel“ entdeckt hatte, worüber er mich umgehend informierte. Und wirklich, es waren die überzeugendsten Sowas-gibt's-bei- uns-ja-gar-nicht-mehr-Pflanzkübel, die ich je gesehen hatte. Mein Freund M. hatte sich bereits kundig gemacht. „Das sind Ferkeltröge, 94 Stück, Steingut, versintert. Wie viele nimmst du?“ „Und du?“ fragte ich höflich zurück – reine Formsache, denn wir wußten beide längst, daß wir sie alle nehmen würden. Die Argumente waren schnell ausgetauscht. Erstens, sagte ich, müßten wir sie schon nehmen, um sie vor dem Wegwerfen zu retten; der Stützpunktbetreiber hatte von „Schrott“ gesprochen. Und zweitens, sagte mein Freund M., würde man uns die Ferkeltröge im Westen aus den Fingern reißen, dieses Terrakottazeug könne man dagegen doch vergessen. Und dann sagte er noch, es würde ihn gar nicht wundern, wenn wir sehr viel Geld damit machen könnten, und da würden die Wegwerfer aber mal staunen.

Zunächst standen jedoch Investitionen an: 94 Ferkeltröge (470 Mark, Warenkosten), zzgl. Mietgebühr für einen Kleinlaster (110 Mark, Transportkosten), zzgl. 8 Becher Danonejoghurt für das Stützpunktpersonal (6,40 Mark, Werbungskosten). Lager- und Sicherungskosten fielen keine an, denn mein Freund M. verfügt über einen eigenen Kellerraum, zu dem Wegwerfer keinen Zutritt haben. Weil wir uns Personal (noch) nicht leisten konnten und die Wegwerfer sich strikt geweigert hatten („Ihr spinnt doch!“), schleppten wir die 94 Ferkeltröge (à 25 Kilo) zunächst auf den Laster, und dann schleppten wir die 94 Ferkeltröge in M.s Keller. Das dauerte vier Stunden und heißt im Geschäftsleben Eigenarbeitsanteil; ich nenne das Selbstausbeutung.

Deshalb konnte mich M. bei der Preisgestaltung („Doch, 80 Mark pro Stück sind voll o.k.!“) schnell überzeugen. Ich entwarf eine Anzeige („1a-Ferkeltröge, ideal zur Balkonbepflanzung, trittfest und frostsicher“ etc.), die wir pünktlich zur Pflanzzeit schalteten. Allein, sämtliche Interessenten nörgelten herum: zu flach, zu schwer und was nicht alles. Wir blieben hart, d.h., M. blieb hart. „Die wollen bloß den Preis drücken. Warten wir eben bis nächstes Jahr.“ Im Frühjahr 1991: das gleiche Genörgel. 1992 haben wir dann leider die Pflanzzeit verpaßt, ebenso 1993 und 1994. M. sagte, das macht nichts, das steigert den Wert der Ferkeltröge. 1995 haben wir trotzdem nur noch 50 Mark verlangt und tatsächlich drei verkauft, 1996 zwei sowie zehn an Bekannte (für die Hälfte). 1997 brauchte M. seinen Keller für etwas anderes. Wir gingen deshalb auf 15 Mark runter (nur Selbstabholer!), und innerhalb von zwei Märztagen war M.s Keller leer.

Reich sind wir also leider nicht geworden. Dafür kenne ich mich jetzt aus, im Geschäftsleben. Ich habe noch zwölf Privattröge. Sie können mich ja mal fragen, was ich für einen von ihnen haben will.