■ DAK: Ärzte sollen bei Kunstfehler für behinderte Kinder zahlen
: Die falsche Logik

Wer wollte das nicht: Keine Behandlungsfehler mehr in der medizinischen Versorgung, keine vermeidbaren Schädigungen mehr – und alle sind glücklich, zufrieden und gesund. Die Studie der DAK führt auf dem Weg in dieses Paradies der Leistungsfähigen und Fitten allerdings keinen Schritt voran. Denn der Krankenkasse geht es weniger um die Ursachen der kritisierten Behandlungsfehler, ihr geht es vor allem darum, zu klären, wer an einer Behinderung schuld und damit zahlungspflichtig ist. Nun kann es den Versicherten selber vielleicht recht sein, daß die DAK (und andere Kassen werden ihr folgen) sich an den Haftpflichtversicherungen der Geburtsmediziner schadlos halten will. Die gesellschaftspolitischen Folgen dieser „Kostendämpfung“ sind allerdings fatal.

Wie schon das Bundesverfassungsgericht im Dezember nimmt jetzt auch die DAK behinderte Kinder ins Visier und konzentriert sich auf die Frage nach den Kosten. Wenn das Leben eines behinderten Kindes aber vor allem die Frage aufwirft, wer „schuldig ist“ und wer zahlen muß, dann ist das Tor für weitere bedenkliche Entwicklungen aufgestoßen. Dabei kommt den Ärzten eine Schlüsselrolle zu, denn sie sind es, die vor Gericht gerufen werden. Um die massiv gestiegenen Kosten für ihre Haftpflichtversicherungen zu begrenzen, werden sie einiges tun, um den „Schaden“ zu verhindern. Ein abgetriebenes oder ein totes Kind mit Behinderung kommt billiger. Das ist keine Schwarzmalerei: In den Niederlanden wurde bereits untersucht, wie durch gezielte Nichtbehandlung die Zahl schwer hirngeschädigter Neugeborener gesenkt werden kann.

Und auch den Eltern droht auf lange Sicht, daß sie in die Pflicht genommen werden, wenn sie sich nicht „aufklärungsrichtig“ verhalten. Wer die humangenetische Beratung verweigert, die Abtreibung trotz festgestellter Schädigung nicht durchführt oder im falschen Geburtshaus entbindet, ist in dieser Logik genauso mitverantwortlich wie der Arzt. Die Interessen der Betroffenen geraten dabei vollends aus dem Blick: Den geschädigten Kindern ist es egal, wer die Kosten für die Pflege übernimmt. Sie wollen ihr Leben nicht als Anlaß für Schadenersatzzahlungen sehen, sie interessieren sich für integrative Schulen, bessere Ausbildung, Barrierefreiheit ihrer Umwelt. Dafür sollten die Krankenkassen ihre Energien und Gelder einsetzen. Aber soweit reicht die Phantasie nicht. Oliver Tolmein