Desolate Profis, muntere Amateure

■ Zwiespältiger FC St. Pauli beim Ratsherrn-Cup

Auf den Vorschlag, den 12. Ratsherrn-Cup einfach zu gewinnen, um 1999 direkt eingeladen zu werden, konterte der „Schatzkanzler“der St. Pauli-Amateure mit Humor: „Wenn wir nächstes Jahr nicht in der Qualifikation spielen, fehlen uns 4000 Mark in der Mannschaftskasse“, scherzte Tor- und Kassenwart Holger Sander.

Diesmal mußte seine Mannschaft schon am Dienstag spielen. Dank sechs von Sander gehaltener Neunmeter gewannen die Amateure des FC St. Pauli die ausgelobten vier Tausender beim Qualifikationsturnier für den Ratsherrn-Cup – und sorgten dort anschließend für Furore.

Weil die A-Jugend-Spieler Christian Rahn und Damian Bankowski am Mittwoch mit der Hamburger U 19-Auswahl nach Tunesien aufbrachen, stießen zwei Vertragsamateure dazu: Ömer Erdogan und Thomas Meggle, der kurz zuvor noch bei einem „Qualifikationstraining“der Profis als erster durch das Sieb von Coach Gerhard Kleppinger gefallen war. Im Trikot der Amateure revanchierte er sich: Gegen Slavia Prag (4:1) traf Meggle dreimal, gegen den HSV (2:2) einmal. Mit vier Punkten aus zwei Spielen standen die Amateure plötzlich auf Platz eins ihrer Gruppe. „Die anderen waren scheinbar so schlecht“, frotzelte Abwehrspieler Hendrik Meyer, „und sie haben uns unterschätzt.“

Ganz anders das desolate Dutzend, das Kleppingers Auswahltraining überstanden hatte. St. Paulis Profis verloren gegen Kongsvinger (2:3) und Cottbus (0:1) und schieden frühzeitig aus. Statt Enttäuschung oder Mißfallen zu bekunden, strafte die eigene Anhängerschaft das Profiteam eher mit geringer Aufmerksamkeit. Interessanter war da schon der Erfolg der Amateure. St. Pauli-Anhängerin Vera Dierks sprach für einige der 3500 Zuschauer am Mittwoch: „Ich habe am Morgen erfahren, daß unsere Amateure das Vorturnier gewonnen haben, also bin ich hierhin gefahren.“

Mal wieder eine Runde im schwelenden Wettbewerb zwischen Profis und Amateuren des Vereins um das „wahre“Team? Der derzeitige HSV-Talentsucher Jürgen Wähling, der die St. Pauli-Amateurmannschaft bis 1995 trainierte, mahnte seinen alten Arbeitgeber vorsorglich: Darüber, daß „viele St. Pauli-Fans nur wegen der Amateure“gekommen seien, wie er in Gesprächen erfahren habe, solle man sich Gedanken machen.

folk/tos