„Aufstand des Rohmaterials“

Ab Montag wählen die Studenten der Uni Hamburg ihre Interessensvertreter neu  ■ Von Ilonka Boltze

Braunes Soßengeklecker auf bunten Papierbergen: In der Mensa der Universität Hamburg wird der Wahlkampf für das Studierendenparlament mit Zentnern von Gedrucktem ausgefochten. 19 Listen kandidieren für das studentische Gremium, aus dem sich im April ein neuer Asta rekrutieren soll. Ab kommenden Montag darf gewählt werden.

Nicht einmal hundert Studierende hörten sich am Mittwoch im Audimax an, was die studentischen Vertreter in spe ihnen für die Zukunft versprachen. Bleibt es bei diesem Andrang, dann wird die studentische Wahlbeteiligung diesmal kaum die übliche Zehn-Prozent-Marke überwinden. Denn den derzeitigen Asta-Chefs mangelt es an Überzeugungskraft: Mit offen ausgetragenen Grabenkämpfen und zuletzt mit der Aufkündigung der rot-grünen Führungskoalition hat sich der Asta selbst lahmgelegt und ist seither kaum noch beschlußfähig.

Jüngste Kuriosität: Die Grüne Hochschulgruppe, die als letzten Kraftakt des Jahres den Rauswurf der Jusos aus dem Asta betrieben hatte, setzt mit Zustimmung des jetzigen Studierendenparlamentes (Stupa) noch im Januar den Haushalt des folgenden Semesters durch. Zugleich sind die Grünen aber nicht bereit, ihn politisch mitzutragen – sie stellen sich nicht mehr zur Wahl. Bereits zum Jahresende hatten die Grünen verkündet, mit Semesterticket, Campus-Kinderkrippe und Fahrradwerkstatt ihr Ziel erreicht zu haben. Der Bonner Bafög-Kompromiß, das geplante Hochschulrahmengesetz, die anvisierte Streichung von 40 Uni-Stellen und die Teilfinanzierung der Uni durch Sponsoren der freien Wirtschaft sind für den amtierenden grünen Asta-Vorstand kein Anlaß für eine erneute Kandidatur.

Viele Studierende fühlen sich da nicht ernstgenommen. „Was heißt hier studentische Vertretung? Ihr betreibt jede Menge politische Selbstdarstellung, aber Vorschläge, wie es jetzt konkret weitergehen soll, kommen nicht“, wütete eine der wenigen Versprengten auf der Vorstellungsrunde der Kandidierenden. „Verlange nicht, daß wir dich vertreten, wenn du was ändern willst, mach's selbst“, lautete die lakonische Antwort von Gunnar Peterson, Kandidat auf der Liste St. Pauli. Sein Kurzplädoyer: „Dabeisein ist alles – vor allem beim Anpfiff zum St.-Pauli-Spiel.“

Der Ring christdemokratischer Studenten (RCDS) hielt schon den Streik im Dezember für überflüssig. Ihr Wahlkampfaufhänger: Sie wollen die beim Asta angesiedelten Referate für Schwule, Ausländer oder Frauen und Lesben abschaffen. Behindertenfreundlichkeit soll natürlich sein – aber bitte ohne eigenes Mandat. All diese Referate seien „pseudodemokratisch“und eine „ideologisch verbrämte Sonderbehandlung“. Ihr Vorschlag: Alle teilautonomen Referate streichen, und schon sind 500.000 Mark gespart.

Auch die Liste „Realos jetzt“plädiert fürs Sparen. Schluß mit „stundenlangem Gelabere“, fordert sie, statt dessen mehr Effizienz: Bibliotheken sollten kleiner werden und sich gesundschrumpfen, überfüllte Hörsäle müßten sich wieder leeren, und das Studium sollte nach amerikanischem Modell verkürzt werden.

Zur Verkürzung der Studienzeiten sagt Michael Bohn lieber nichts. Der einzige Kandidat auf der Liste der Informatik-Fachschaft ist im 17. Semester angelangt. Er möchte etwas dagegen tun, daß „die Studierenden im Stupa sich in Flügelkämpfen zerhacken“. Weniger friedliebend ist da das Motto der „Liste Links“: Gemeinsam mit den Jusos sperren sie sich gegen Sponsoringkonzepte und Studiengebühren. Ihr Schlachtruf: „Aufstand des Rohmaterials“.