Der Exitus ist abgewendet

Die Kreuzberger Szenekneipe „Ex“ bleibt bestehen. Fünfzehn Gruppen und Projekte haben sich zusammengefunden und bereiten sich eifrig auf das Bierzapfen vor  ■ Von Tobias Singelnstein

Das Ex ist tot, es lebe das Ex. Die langjährige linke Szenekneipe im Kreuzberger Mehringhof wird in veränderter Form weiterbestehen, so hat es die Kommission der Mehringhof-MieterInnen entschieden. Nachdem das jetzige BetreiberInnen-Kollektiv vor einigen Monaten kundgetan hatte, die Kneipe schließen und an den Mehringhof zurückgeben zu wollen, hatten vielerorts die Diskussionen eingesetzt, was man in dem großen Kneipenraum so alles machen könnte. Dementsprechend unterschiedlich waren dann auch die Bewerbungen, die an die Mehringhof-Kommission gerichtet wurden: vom schicken Restaurant über verkleinerte Kneipe mit Buchladen bis hin zur Erhaltung des Ex durch eine „Solistruktur“ verschiedenster Gruppen. Die mit Spannung erwartete Entscheidung der Kommission fiel dann Ende Dezember, und sie fiel relativ eindeutig. Der schon an anderer Stelle im Mehringhof beherbergte Buchladen „Schwarze Risse“ zog seine Bewerbung zugunsten der „Solistruktur“ zurück. Von dem Restaurant sprach kaum noch jemand, und auch eine vierte Gruppe, die Kneipe mit mehr Konzerten machen wollte, hatte gegenüber dem Projekt aus fünfzehn verschiedenen Gruppen schlechte Karten. Das bislang noch unter dem Namen „Solistruktur“ firmierende Projekt hat sich in den vergangenen Monaten zusammengefunden. Politische Gruppen oder Hausprojekte, keiner wollte zusehen, wie die Kneipe, die lange Jahre zentraler Anlaufpunkt für die linke Szene war, zumacht.

Aber jetzt wird es ernst, und der Diskussionsmarathon läuft auf Hochtouren. Ende Januar beendet das alte Kollektiv seine Geschichte im Ex, dann soll renoviert werden, und im Februar stehen zum ersten Mal die neuen BetreiberInnen hinter dem Tresen. Bis dahin muß nicht nur geklärt werden, welche Farbe die Eingangstür bekommen soll, sondern auch, wie die gewagte Konstruktion überhaupt funktionieren soll.

Jede der beteiligten Gruppen übernimmt je nach Kapazität ein bis vier Tage im Monat die Kneipe und kann diese Tage nach ihren Wünschen gestalten: musikalisch, inhaltlich und hin und wieder auch mit einer Veranstaltung. Einen inhaltlichen Grundkonsens und gewisse Leitlinien soll es dennoch geben, die bisherige Art und der Flair des Ex sollen erhalten bleiben. Damit dabei weder das Bier ausgeht noch der Strom ausfällt, soll es Arbeitsgruppen geben, die sich u.a. um Einkauf und Reparaturen kümmern. Zusammengehalten werden soll die ganze Struktur über gemeinsame Treffen.

Die Motivation der einzelnen für die Arbeit in der Kneipe unterscheidet sich kaum. Für viele war das Ex lange Zeit fester Bestandteil ihres politischen Lebens: „Wenn irgendwas war, biste erst mal ins Ex“, wie Mark es formuliert, der in einem der beteiligten Hausprojekte wohnt. Und obwohl die Szene kleiner geworden ist, sich aufgefächert hat und es in anderen Bezirken andere Szenekneipen gibt, hängen viele an der bereits seit Anfang der 80er Jahre bestehenden Kneipe: Vom 18jährigen Antifa bis zur Ex-Haubesetzerin Mitte 40. Genau in dieser bunten Mischung sehen die Beteiligten die Chance, das Ex wieder mehr zu dem zu machen, was es einmal war: ein Treffpunkt, der viele unterschiedliche Menschen zusammenbringt. Auch durch den sparsamen Einsatz der Ressourcen der Gruppen verspricht sich die „Solistruktur“ nicht nur, das Ex wieder rentabel machen zu können, sondern sogar Überschüsse zu erzielen. Die sollen dann der politischen Arbeit zugute kommen oder vielleicht eine Preissenkung ermöglichen.

Aber natürlich bringt die bunte Mischung der zukünftigen Kneipiers auch ihre Probleme mit sich: die Verwendung von Überschüssen und die Frage der Verantwortlichkeiten – dies und noch mehr Probleme wollen im Vorfeld diskutiert sein. Und wie lange die Lust der Gruppen anhält, Wirt zu spielen, weiß auch niemand so genau. Mark ist optimistisch und glaubt, daß in jedem Fall das erste halbe Jahr alles klappen wird. „Da ist noch der Elan da, und danach wird's spannend.“