Wegen Störung der Totenruhe droht lebenslange Haft

■ Ein an Nekrophilie leidender 34jähriger Gelegenheitsarbeiter muß sich erneut vor Gericht verantworten. Nach seiner letzten Entlassung hatte er sich erneut an Leichen vergangen

Die 16. Strafkammer des Landgerichts steht vor einer schwierigen Entscheidung. Was tun mit einem 34jährigen Gelegenheitsarbeiter, der an Nekrophilie leidet, die darin zum Ausdruck kommt, daß er Gräber öffnet oder in Leichenschauhäuser einsteigt und sich an Toten sexuell vergeht?

Wenn es nach der Staatsanwaltschaft geht, wird der Mann wegen Schuldunfähigkeit in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen. Nachdem er dort schon einmal saß und nach seiner Entlassung wieder rückfällig geworden ist, würde eine erneute Unterbringung diesmal lebenslänglich hinter Gittern bedeuten. Es steht zu erwarten, daß das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgt. Es fragt sich aber, womit diese Entscheidung gerechtfertigt werden wird. Mit „Pietätsgründen“, wie die Verteidigerin Änne Ollmann befürchtet, oder weil der Mann eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, weil er eventuell einmal einem lebenden Menschen etwas zuleide tun könnte?

In dem auf mehrere Verhandlungstage anberaumten Prozeß wirft die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten Peter K. (Name geändert) Störung der Totenruhe und Diebstahl von Leichentüchern vor. Zwischen November 95 und Dezember 96 soll er sich in Berlin und Köln an drei Frauenleichen sexuell vergangen haben.

Die Verteidigerin Ollmann hatte in dem Prozeß gestern vergeblich beantragt, die Öffentlichkeit auszuschließen. Obwohl sie ihr Begehren damit begründete, daß Peter K. andernfalls keine Aussage machen werde, war das Gericht der Auffassung, daß Interesse an einem öffentlichen Prozeß habe Vorrang gegenüber den Rechten des Beschuldigten auf Schutz seiner Privatsphäre. Der Beschuldigte, der sein Gesicht mit seinem schwarzen halblangen Haar verhängte, schwieg foran.

Wie der psychiatrische Sachverständige der taz sagte, sind in der weltweiten Literatur seit 1962 nur 47 Fälle von Nekrophilie verzeichnet. Peter K. hatte bereits wegen ähnlicher Taten 1991 vor Gericht gestanden und war wegen Schuldunfähigkeit auf unbestimmte Zeit in die Psychiatrie eingewiesen worden.

Der psychiatrische Gutachter hatte die Ursache für die „Perversion mit fetischistischen nekrophilen Zügen“ auf die frühe Kindheit des Beschuldigten zurückgeführt. Peter K. hatte bis zum Alter von fünf Jahren mit ständigen wechselnden Bezugspersonen im Heim gelebt und war dann von einem Bonner Ministerialbeamten und einer Lehrerin adoptiert worden. Obwohl er danach „unter sehr günstigen Bedingungen aufgewachsen“ sei und verschiedene Therapien absolviert habe, hätten die schweren psychischen Schäden nicht mehr ausgeglichen werden können, so der Gutachter damals.

Der hochintelligente Beschuldigte sei in seinem sozialen Umgang außerordentlich gehemmt und habe große Schwierigkeiten mit Frauen. Nachdem seine große Liebe zu einem Mädchen zurückgewiesen worden sei, sei dem Jungen im Alter von 17 Jahren zum ersten Mal der Gedanke gekommen, den Körper einer Frau an einer Leiche zu erforschen.

1993 war Peter K.s Unterbringung in der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik zur Bewährung ausgesetzt worden. Während seiner ambulanten Therapie wurde er draußen wieder rückfällig. Ein Kripo- Beamter sagte dazu gestern als Zeuge, daß Peter K. nach seiner erneuten Festnahme im Oktober 95 ein freimütiges Geständnis abgelegt habe. Er sei immer dann rückfällig geworden, wenn er aus beruflichen Gründen seelisch aus dem Gleichgewicht gekommen sei.

Im ersten Prozeß hatte es der Gutachter für absolut unwahrscheinlich gehalten, daß sich Peter K. an lebenden Frauen vergreifen könnte. Nach Angaben von Verteidigerin Ollmann gibt es auch im neuerlichen Gutachten keine Anhaltspunkte für so eine Annahme. Der Prozeß wird fortgesetzt. Plutonia Plarre