Mit zehn Millionen Mark endlich die Existenz sichern

■ Nord-Süd-Gruppen wollen Stiftung gründen. Gründungskapital soll Hausverkauf erbringen

Berlins Nord-Süd-Gruppen haben es satt, alle Jahre wieder mit dem Senat um ihre mageren Fördergelder zu ringen. Nachdem es den Nichtregierungsorganisationen (NRO) im Herbst bereits zum dritten Mal gelungen war, beträchtliche Kürzungen wieder rückgängig zu machen, gehen sie jetzt in die Offensive. Bei bislang vertraulich gehaltenen Gesprächen haben Beauftragte des Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlags (BER) dem zuständigen Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) ihre Idee zur Schaffung einer „Stiftung zur nachhaltigen Sicherung von NRO-Projekten in Berlin“ vorgetragen.

Die Reaktion von Senator Pieroth sei „ausgesprochen positiv“ ausgefallen, so Walter Hättig vom Westberliner Weltfriedensdienst, der mit der Ostberlinerin Kathrin Buhl von der Stiftung Nord-Süd- Brücken an dem Gespräch beteiligt war. Besonders überzeugend dürfte ihr Vorschlag gewirkt haben, daß nach Errichtung der Stiftung der Haushaltstitel Entwicklungszusammenarbeit „auf Null gefahren“ werden könne. Aktuell beträgt er 600.000 Mark, dazu kommen noch 200.000 Mark für den Arbeitsschwerpunkt „Wirtschaft, Umwelt und Entwicklung“ der Carl Duisberg Gesellschaft (CDG) in einem anderen Etatbereich.

Jetzt soll über Gespräche mit den Fraktionen des Abgeordnetenhauses ein fraktionsübergreifender Gesetzesvorschlag sowie ein detaillierter Struktur- und Statutenentwurf für die Stiftung erarbeitet werden. Gespräche sollen noch im Januar stattfinden.

Das Geld für die Stiftung wollen die BER-Leute aus dem Verkauf einer senatseigenen Immobilie in der Rauchstraße in Tiergarten erlösen. Dort residierte bisher mietfrei die Deutsche Stiftung für internationale Entwicklung (DSI), die wie andere halbstaatliche entwicklungspolitsche Einrichtungen im Rahmen des Hauptstadtzentrums auf zehn Millionen Mark geschätzt wird, was auf einen jährlichen Stiftungsertrag von rund 600.000 Mark hinausliefe. Wiederholt hatte der BER gefordert, daß der Senat den Erlös nicht einfach zur Sanierung seiner defizitären Finanzen einstreicht, sondern sie im selben Politikbereich einzusetzt.

Der unter Pieroth für Entwicklungspolitik zuständige Staatssekretär Dieter Ernst nutzte kürzlich bereits die alljährliche „Dialogveranstaltung“ des Senats mit Berliner NROs dazu, das Verschwinden wichtiger Nord-Süd-Bereiche als „Neustrukturierung“ der entwicklungspolitischen Arbeit des Senats zu verkaufen. Neben dem CDG- Arbeitsschwerpunkt „Wirtschaft, Umwelt und Entwicklung“ sei „angedacht“, den Aufgabenbereich der Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit um die Ost-West- Kooperation zu erweitern. Darüber ist der BER allerdings nicht sehr glücklich. Dort befürchtet man, daß damit die Wirtschaftsförderung für Osteuropa die entwicklungsplitischen Kontakte mit dem Süden in den Hintergrund drängen könnten.

Daß es nicht soweit kommt, können sie über den neuen „Beirat Entwicklungszusammenarbeit“ zu verhindern suchen. Das zwölfköpfige Gremium, das Wirtschaftssenator Pieroth jetzt auf Vorschlag des BER berief, soll den Senat „bei der Ausgestaltung der Landesentwicklungspolitik zur Eine-Welt- Politik“ beraten, so Ernst. Ein Drittel seiner Mitglieder kommt aus NROs, die übrigen aus Wissenschaft, Wirtschaft, entwicklungspolitischen Institutionen, Kirchen, Medien und diplomatischen Missionen (die Honorarkonsulin von Burkina Faso). Seine konstituierende Sitzung findet am 12. Januar statt. Thomas Ruttig