■ Vorschlag
: Iva Bitterová und Dorothea Kellerová spielen Bartók

Zwischen Vereinfachung und leidenschaftlich gespieltem Überfluß bewegt sich Iva Bittová in ihren Violinenimprovisationen – wobei sie vor allem die beiden Extreme liebt. Alles andere dient lediglich als Weg, um vom „Nichts-mehr-hören“ zum „Es-nicht-mehr-hören-können“ zu gelangen. So zumindest waren die Stücke und Performances der fast 40jährigen tschechischen Künstlerin in den letzten Jahren. Ein ausgespuckter Tennisball. Ein jähzornig gestampftes Stakkato. Ein Geklimper mit Kinderspielzeug, unterstützt von präzise gesungenen Ausrufen der Verwunderung. Und gleich danach ein virtuoser Ausbruch auf der Geige, der Dissonantes meist mit Wut und Eleganz in Harmonie zurückführt. Klassisch geschult am Konservatorium in Brno (Brünn), hat Bittová sich ihren eigenen Stil im Rahmen von Avantgarde und Neuer Musik gesucht. Dabei macht sie vor allem in ihrem experimentierfreudigen Gesang deutlich, daß Folklore, Kindergeschrei und Naturgeräusche musikfähig sind.

Zum ersten Mal tritt Iva Bittová heute jedoch als Interpretin klassischer Musik auf. Nicht unpassend zu ihrer eigenen Entwicklung und Vorliebe spielt sie mit ihrer tschechischen Kollegin Dorothea Kellerová die 44 Duette für zwei Violinen von Béla Bartók. Vermutlich sind viele Violinenzöglinge in ihrer frühen Laufbahn über diese Stücke gestolpert, denn sie wurden in den 30er Jahren vom Direktor des Musikseminars in Freiburg, Erich Doflein, eigens für Lehrzwecke in Auftrag gegeben und tauchen seither in dessen fünfbändiger Geigenschule auf. Daß aber auch Lehrstücke spannend sein können, machen Iva Bittová und Dorothea Kellerová vor. Sie gebärden sich als unorthodoxe Schülerinnen, die die Bartóksche Bitonalität ernst nehmen, aber nicht bierernst. Sie zeigen, daß alles, was eigentlich nicht sein darf, schön ist. Gelegentlich singen sie die Melodien nach, rufen dazwischen, machen sich Luft, lassen die Violinen gegeneinander und miteinander „sprechen“. Mal ganz gehörig und mal ungehörig. Waltraud Schwab

Heute, 20 Uhr in der Passionskirche, Marheinekeplatz, Kreuzberg