Schnarcher schlafen ungesund

Schlafstörungen verkürzen die Lebenserwartung: Schlafmasken, Ohrenkerzen sowie ein Tag-Nacht-Buch schaffen Abhilfe. Auch die richtige Ernährung und regelmäßige Schlafzyklen sind wichtig  ■ Von Esther Kogelboom

Schon nach einem Monat Ehe flog der Betrug auf. „Nachdem ich Farsaneh geheiratet hatte, litt ich unter Müdigkeit“, erklärte der Iraner Gholam vor Gericht. Er habe bemerkt, daß seine frischgebackene Ehefrau ihm jeden Abend ein Schlafmittel zum Essen gemischt habe, berichtete die Zeitschrift Iran News, also sei er eines Abends ohne Essen ins Bett gegangen und habe das ganze Ausmaß der Katastrophe bemerkt. Farsaneh schnarche so unerträglich, daß Gholam sofort die Scheidung einreichte (taz-Wahrheit vom 19.2. 1997).

Nicht nur in Teheran haben unzählige Menschen Probleme mit dem Einschlafen, Durchschlafen und Aufwachen. Nach Umfragen des Instituts für Demoskopie in Allensbach im Jahr 1985 gaben 15 bis 20 Prozent aller Befragten an, daß sie schwer einschlafen, 20 Prozent, daß sie oft wachliegen, und nur 40 Prozent, daß sie sich gut ausgeschlafen fühlen. Zuwenig Schlaf bekommen 30 Prozent.

Neben diesen sehr subjektiven Kriterien von Schlafstörungen nennt die Association of Sleep Disorder Centers (ASDC) vier diagnostische Klassifikationen: Einschlaf- und Durchschlafstörungen, Störungen mit exzessiver Schläfrigkeit, Störungen des Schlaf- Wach-Rhythmus und Dysfunktionen in Verbindung mit Schlaf, Schlafstadien oder partiellem Erwachen.

Schnarchen, der Klassiker unter den Schlafstörungen, ist nicht nur unangenehm und lästig für alle Beteiligten, sondern auch gefährlich. Konsequenzen der nächtlichen Sägerei können zum Beispiel Herzinfarkt, Schlaganfall und Impotenz sein. „Nebenbei“ sinkt die Lebenserwartung; laut Spiegel sterben 10.000 Menschen jährlich infolge pathologischen Schnarchens.

Eine buchstäblich atemberaubende Folgeerscheinung starken Schnarchens ist die behandlungsbedürftige „Schlaf-Apnoe“. Patienten, die darunter leiden, bekommen bis zu 800mal pro Nacht für mindestens 10 Sekunden keine Luft mehr und wachen geräuschvoll nach Luft schnappend auf: eine enorme Belastung für Herz und Kreislauf. Behandelt werden diese harten Fälle mit einer „Schlafmaske“, die einen Luftzug in die Luftröhre pustet und diese somit vor dem Erschlaffen bewahrt.

Peretz Lavie, Professor für Biologische Psychatrie am Technion- Israel Institute of Technology in Haifa und Direktor des dortigen Schlaflabors, weist in seinem aktuellen Buch „Die wundersame Welt des Schlafes“ auch auf die Gefahren der „Schlaf-Apnoe“ am Tage hin. Die Patienten „geraten aufgrund ihrer Einschlafneigung am Tage leicht in Unfallsituationen. Da das Syndrom unter Männern so weit verbreitet ist, steht außer Zweifel, daß viele Berufskraftfahrer daran leiden.“ Bei leichterer Schlaflosigkeit können laut Lavie bereits einfachere Verhaltensweisen zur qualitativen Verbesserung des Schlafs beitragen, die er unter dem schönen Stichwort „Schlafhygiene“ zusammenfaßt.

Man solle die Zeit, die man im Bett liegt, wirklich nur für das Schlafen verwenden und sich erst ins Bett legen, wenn man für das Schlafen bereit sei. Ganz falsch sei es, sich zum Schlafen zwingen zu wollen. Lavie rät, tickende Uhren mit Leuchtziffern aus dem Schlafgemach zu verbannen und körperliche Anstrengungen in den späten Abendstunden zu vermeiden. Kaffee, Alkohol und Tabak seien Genußmittel, die wachhalten. „Alkohol erzeugt wirklich ein Gefühl der Schläfrigkeit, aber nach der Aufspaltung des Alkohols im Körper haben die freigesetzten Verbindungen eine anregende Wirkung, so daß viele, die Alkohol zur Unterstützung des Einschlafprozesses trinken, mitten in der Nacht wach werden und nicht mehr einschlafen können.“ Feste Zeiten zum Einschlafen und Aufstehen seien von großer Bedeutung für chronisch Schlaflose. Neben abendlichen schweren Mahlzeiten und dem nächtlichen Gang zum Kühlschrank sei der Luxus des Nachmittagsschlafes ebenfalls tabu.

Herbert Wagner, Heilpraktiker und Lehrgangsleiter des Institutes für Gesundheitspädagogik in München, setzt seinen ganzheitlichen Heilansätzen voraus, daß Schlaf eine individuelle Größe ist. Kurz- und Langschläfer, Morgen- und Abendtypen, Mittagsschläfer sowie die Veränderungen des Schlafs mit zunehmendem Alter verhindern allgemeingültige Kriterien zur Definition des normalen Schlafes. Die Abgrenzung von gestörtem und gesundem Schlaf berücksichtige daher die Beschwerden jedes einzelnen Patienten, sowohl im Kontext seines individuellen Schlafverhaltens als auch seiner Lebensumstände.

Wagner empfiehlt Baldrian in allen handelsüblichen Darreichungsformen, Hopfenblüten als Tee, die auch beruhigende Eigenschaften haben, und Milchbäder. Wer einen Freiwilligen findet, kann sich die Füße mit Rizinusöl massieren lassen, das äußerlich tief entspannend wirken soll. Ein eher exotisches Heilmittel sind wohl Ohrenkerzen, die man dem Patienten in den äußeren Gehörgang stecken und abbrennen lassen soll, was einerseits ein „wohltuendes Zischen verursacht“ und zweitens zur Regulierung der Druckverhältnisse im Kopf führen könne.

Im Gegensatz zur Ohrenkerze ist das „Tag-Nacht-Buch“ eine eher unspektakuläre Methode, seine Schlafstörungen in den Griff zu kriegen. Hat das Buch erst mal seinen Platz auf dem Nachttisch gefunden, werden Schlafzyklen, Träume oder unvorhergesehene Ereignisse aufgezeichnet und helfen so, die Schlafgewohnheiten besser zu verstehen.