piwik no script img

Wichtiger Sieg in kurioser Partie

Nach dem deutlichen 66:55-Erfolg in der Zwischenrunde der Basketball-Europaliga gegen EB Pau-Orthez kann Alba Berlin relativ beruhigt nach höheren Weihen streben  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Einen gewissen Stolz auf das, was aus seinem Basketballteam Alba Berlin geworden ist, kann Svetislav Pesic nicht verhehlen. Früher hätten Europacupgegner vor den Matchs bloß gedacht: „Ach, die Deutschen!“ und keinen Gedanken an eine akribische Vorbereitung verschwendet. Heute sei das völlig anders. „Respekt“, hat der Alba-Coach bemerkt, was sich auch darin ausdrückt, daß der Serbe bei der Wahl zu Europas Basketball-Trainer des Jahres von den Kollegen auf Platz 9 gehievt worden ist. Die Abwehrarbeit der Berliner gilt als höchst unangenehm für jeden Kontrahenten, und das Konterspiel ist allseits gefürchtet. Wurde der Gewinn des geringgeachteten Korac-Cups 1993 noch als kurioser Zufall bestaunt, haben die Leistungen in der Europaliga, vor allem Siege gegen solch renommierte Mannschaften wie Olympiakos Piräus, Stefanel Mailand oder Teamsystem Bologna, Albas Ruf als ernstzunehmender Gegner zementiert. „Man weiß inzwischen, daß wir jeden schlagen können“, sagt der Alba- Coach mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen.

Dies hat durchaus Nachteile. Niemand tritt mehr den Berlinern gegenüber, ohne sich zuvor genau mit ihren Stärken und Schwächen befaßt zu haben. „Früher wurden manche Teams erst wach, als sie schon verloren hatten“, erinnert sich Pesic, „heute sind sie von Anfang an hellwach.“ Manche erstarren aber auch in Ehrfurcht, wie etwa EB Pau-Orthez am Donnerstag bei seiner 55:66-Niederlage in der Max-Schmeling-Halle. „Man kann nicht vernünftige Angriffe spielen, wenn man die ganze Zeit Angst davor hat, bei einem Fehlwurf sofort ausgekontert zu werden“, begründete Coach Bergeaud die seltsame Lähmung und Unsicherheit seines Teams, vor allem in der ersten Halbzeit. „Das war nicht ernsthaft“, meinte der Trainer der Franzosen, „erst in der zweiten Hälfte haben wir europaligareif gespielt.“

Nur eine vierminütige Auszeit der Berliner, welche diese dummerweise auf dem Feld nahmen, sorgte dafür, daß der Halbzeit- Rückstand der Gäste mit 26:36 relativ gering blieb. Nach 17:8-Führung und konzentriertem, gutem Spiel war Alba plötzlich übermütig geworden, hatte sich mit waghalsigen Aktionen einige Ballverluste eingehandelt und war plötzlich 17:20 in Rückstand geraten. Vor allem dank des energischen Spiels von Henning Harnisch, der mit 17 Punkten Topscorer des Matchs war, bekamen die Berliner die Partie jedoch wieder in den Griff und überstanden auch eine kritische Phase in der zweiten Halbzeit, als der Vorsprung noch einmal auf fünf Punkte schrumpfte.

Eine unrühmliche Rolle spielten in dieser Zeit die Schiedsrichter, die, wie schon bei der Niederlage gegen AEK Athen, eine äußerst harte und aggressive Abwehrarbeit des Gegners zuließen. Die oft schwachen Leistungen der Referees sind nach Meinung von Svetislav Pesic ein grundsätzliches Problem der Europaliga, aber auch ein besonderes für sein Team, dem von den Schiedsrichtern kein Respekt entgegengebracht werde. Dies unterscheide Alba von den etablierten Spitzenteams. „Wenn Kinder Bologna bei Olympiakos Piräus oder beim FC Barcelona antritt, haben sie bei den Schiedsrichtern die gleiche Ausgangsposition. Wir nicht“, ist der Alba-Coach sicher.

Hoch erfreut war Pesic darüber, wie seine Spieler trotz der Schläge, Rempler und Schubser, die sie einstecken mußten „die Nerven kontrollierten“, was er umgehend auf seine Trainingsarbeit zurückführte: „Wer eine physisch gute Verfassung hat, kann auch mental gut reagieren.“ Selbst kassierte Pesic wegen eines Wutausbruchs ein technisches Foul vom italienischen Referee, das dieser nach Ohrenzeugenberichten mit einem herzhaften „Fuck you!“ unterstrich. Die Disziplinarmaßnahme gegen Pesic brachte die 6.000 Zuschauer vollends zum Toben, was wiederum der mentalen Verfassung von Pau-Orthez nicht gut bekam. Die Spieler der Gäste trafen nicht mehr, und etwa drei Minuten vor Schluß sorgte Harnisch nach dem Fehlwurf eines Kollegen mit einer Art Slam-in für die endgültige Entscheidung. „Zwei verrückte Fouls“ (Bergeaud) der Franzosen ließen den Abstand sogar auf elf Punkte anwachsen, was bei einer Rückspielniederlage für den direkten Vergleich wichtig werden könnte. „Gegen Barcelona oder Bologna wäre es heute ein bißchen einfacher gewesen“, sagte Svetislav Pesic neckisch nach dem wichtigen Sieg in einer kuriosen und chaotischen Partie. Gelegenheit, dies zu unterstreichen, bekommt seine Mannschaft in den nächsten Wochen genug, zunächst am kommenden Donnerstag beim FC Barcelona, danach bei Kinder Bologna. Eine Niederlage gegen Pau hätte akute Abstiegssorgen für Alba mit sich gebracht, nach dem klaren Erfolg können die Berliner beruhigt darangehen, in den oberen Regionen der Europaliga zu wildern, und weiter an Pesic' Ziel arbeiten, vom gelegentlichen Favoritenschreck zur europäischen Spitzenmannschaft aufzusteigen. Die sei man nämlich erst, wenn man nicht nur einmal so gut spielen könne wie gegen Teamsystem Bologna, sondern „viermal hintereinander“. Mühselig herausgerackerte Siege wie jener gegen Pau-Orthez vorausgesetzt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen