Kalaschnikowerektion

Der algerische Komiker Mohamed Fellac macht sich lustig über das Schicksal seines Landes. Darf man das?  ■ Von Dorothea Hahn

Über Algerien lachen. Bis sich der Körper krümmt und die Augen tränen, während sich auf der anderen Seite des Mittelmeeres allnächtlich Dramen abspielen. Darf man das?

Wenn Mohamed Fellac in seinen breiten roten Hosenträgern, dem feingepunkteten Hemd und den weiten Charlie-Chaplin-Hosen ganz allein vorn auf der Bühne steht und sich über die Zensoren, die Militärs, die Geheimdienstler, die Arbeitslosen, die Kabylen und „die Algerier überhaupt“ hermacht, dann darf man nicht nur, sondern man muß. Fellac läßt lachen, wo es weh tut. Über die Gewalt, die Korruption, die Verdrängung der Frauen aus dem öffentlichen Leben. Statt sich über das Schicksal seines Landes zu beklagen, macht er sich lustig.

Er erklärt „das Problem“ der Algerier: „Nicht die Phönizier, die Griechen, die Römer und die anderen Invasoren, die wir rausgeschmissen haben. Auch nicht die Araber, die genauso wüstenfarbig wie wir Berber waren und die wir nicht wieder losgeworden sind. Nicht einmal die Franzosen, an denen wir kleben wie eine zweite Haut.“ Das Problem der Algerier ist, „daß wir zu nervös sind“, kommt es unter dem breitkrempigen Filzhut hervor.

Er erklärt den „Fluch“ der muslimischen Gesellschaften: „Die Trennung von Männern und Frauen. Der Mangel an Liebe sorgt für die Erektionen der Kalaschnikows.“ Die jungen Arbeitslosen von Algier: „Morgens fügen sie ihren Rücken in eine Mauer ein. Den ganzen Tag über verschmelzen sie mit ihr. Nach Sonnenuntergang geht gelegentlich die Mauer nach Hause, und die Männer bleiben stehen.“ Die Warteschlangen in dem mangelwirtschafterprobten Land: „Einmal habe ich mir auf der Straße eine Zigarette angezündet. Als ich weitergehen wollte, hatten sich schon 80 Leute hinter mir angestellt. Sie dachten, es gäbe etwas zu kaufen.“

Bei alldem belebt Fellac seine requisitenlose Bühne, als wäre es eine algerische Gasse, in der man sich zum tchatche, zum Palaver, versammelt. Mal ist er ein zum Äußersten entschlossener islamischer Fundamentalist. Mal ein algerischer Immigrant, der in einer französischen Disko eine „blauäugige Aufenthaltsgenehmigung“ anbaggert. Mal der mit einer Schere bewaffnete Cutter beim staatlichen Fernsehen, der vor jeder Kußszene einschneidet.

Das Publikum auf den engen Holzbänken des Pariser ThéÛtre international de langue française lacht oft schon, bevor die Geschichten zu Ende sind. Viele Zuschauer stammen von der anderen Seite des Mittelmeeres und haben Fellac schon vor Jahren in Algier erlebt, als er noch im Nationaltheater und im dortigen Fernsehen arbeitete. Das Stück „Djurdjurassique Bled“, das er jetzt in einer französischen Version mit arabischen und kabylischen Einschlägen in Paris aufführt, kennen manche schon in der arabischen Originalfassung.

Die Themen von „Djurdjurassique Bled“ stammen wie der 47jährige Komiker selbst aus Algerien. Aber geschrieben hat er seine Texte im benachbarten Tunesien, wohin er floh, nachdem in den Theatertoiletten in Algier während einer Vorstellung eine Bombe explodiert war. Als Antwort auf die selbstgestellte Frage: „Wo kann ich nützlich sein?“ zog Fellac 1995 seinen Landsleuten nach Frankreich hinterher, wo er seither auf die Gelegenheit zur Rückkehr nach Algerien wartet. „Angesichts des Anstiegs des Fundamentalismus ist Theater um so dringender“, sagt Fellac.

In Algerien war er seit den 70er Jahren ein populärer Komiker. Der einzige, der es sich erlauben konnte, im Fernsehen Witze über den Präsidenten zu machen. In die Vorführungen, in denen er die militärischen Dienste „Securitate“ nannte und beschrieb, wie die eine Hälfte des Volkes die andere überwacht, kamen selbst Generäle. „Das Erstaunlichste ist, daß manche Generäle mir anschließend gratuliert haben“, erzählt er.

In Frankreich spielt Fellac weiterhin vor gefüllten Sälen. Aber sein Publikum ist eingeschränkter. Auch wenn er inzwischen auf französisch arbeitet, sind die Franzosen selbst zurückhaltender. Bevor sie über seine bitteren Witze lachen, schauen sich viele erst einmal vorsichtig um. Denn Fellac erzählt Dinge über Algerier, die ein Franzose nie sagen würde – es sei denn, er wollte in den Verdacht geraten, ein Rassist zu sein.