Gescheiterter Selbstmord des Unabomber

Der Prozeß gegen den mutmaßlichen Bombenattentäter Theodore Kaczynski wurde abermals verschoben. Er will nicht für verrückt erklärt werden – obwohl ihn das vor der Todesstrafe bewahren könnte  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Hat Theodore Kaczynski versucht, sich in seiner Zelle zu erhängen? Der Verdacht auf einen Selbstmordversuch ist die letzte Wendung in einem bizarren Prozeß um eine Reihe von bizarren Bombenanschlägen, die der brillante Mathematiker aus Berkeley im Laufe einer 18jährigen Kampagne gegen den Vormarsch einer zerstörerischen Technisierung der Gesellschaft von seiner Blockhütte im abgelegenen Montana aus geplant und durchgeführt haben soll.

Eigentlich sollte der mehrfach verschobene Prozeß gegen den sogenannten Unabomber erst am Montag und dann am Donnerstag in Sacramento mit der Verlesung der Anklage beginnen. Bisher aber ist das Verfahren nicht über die Kernfrage hinausgekommen, ob Kaczynskis Pflichtverteidiger den Geisteszustand ihres Mandanten zum Gegenstand ihrer Strategie machen können.

Kaczynski will davon nichts wissen und hatte sich bisher konsequent geweigert, sich einer psychiatrischen Untersuchung zu unterziehen. Am Montag erklärte der Angeklagte in einer stürmisch verlaufenen Sitzung seinem Richter, daß er kein Vertrauen in die Verteidigung habe. Dann verlautete, daß sich Tony Serra, ein aus politischen Prozessen bekannter Anwalt aus San Francisco, gemeldet und sich bereit erklärt habe, Kaczynski unentgeltlich zu verteidigen, ohne auf dessen Unzurechnungsfähigkeit zu plädieren.

Bundesrichter Garland Burrel, der eine Sorgfaltspflicht gegenüber dem Angeklagten hat, stand vor einer schwierigen Entscheidung: Kaczynskis Unzurechnungsfähigkeit könnte sich als dessen einzige Chance erweisen, der Todesstrafe zu entgehen, aber durfte er dem Angeklagten eine Verteidigung aufnötigen? Der Richter lehnte den Antrag mit der Begründung ab, er komme zu spät und diene nur der Prozeßverzögerung.

Entsprechend groß war das Erstaunen, als Kaczynski bei der neuerlich anberaumten Prozeßeröffnung am Donnerstag erklärte, er wolle sich selbst verteidigen – ein Recht, daß ihm die US-amerikanische Verfassung zugesteht – und sei bereit, sich einer psychiatrischen Untersuchung zu stellen, um zu beweisen, daß er dazu auch fähig sei. Damit warf Kaczynski zum zweiten Mal in dieser Woche alle Prozeßpläne über den Haufen.

Als Theodore Kaczynski zurück ins Gefängnis gebracht und zu diesem Zweck aus seinem Straßenanzug in Anstaltskleidung wechseln sollte, wurde das Fehlen seiner Unterwäsche sowie rote Male an seinem Hals bemerkt. Das legt den Verdacht nahe, er habe sich in seiner Zelle zu erhängen versucht.

Kaczynski, der durch das Versenden von Briefbomben an Computerräume und -wissenschaftler an Universitäten drei Menschen getötet und 29 verletzt haben soll, galt in den 18 Monaten, in denen er bisher in Untersuchungshaft saß, als unauffälliger Musterhäftling, erklärte Untersheriff Lou Blanas, doch habe er in letzter Zeit deprimiert gewirkt, was damit zusammenhängen könnte, daß er über den Plan der Verteidigung unglücklich sei, ihn als geisteskrank darzustellen. Von nun an wird Kaczynski rund um die Uhr unter Aufsicht stehen und muß einen Herzmonitor tragen.