Kein Kasperle in der Nina Hagen Falle

■ Der bayerische Kabarettist Georg Ringswandl ulkt heute abend im Goethetheater. Davor sprach er mit der taz

taz: Herr Ringswandl, hier im Norden sieht man Sie und einige Ihrer Kollegen als die „guten“Bayern an; als den Beweis, daß nicht alle dort so konservativ und scheinheilig sind wie Waigel oder Stoiber.

Ringswandl: Die Presse schreibt immer gerne über bayrische Kabarettisten, daß sie den Schuhplattlern und Lüftelmalern den Spiegel vorhalten. Darauf haben einige Leute ja schon ganze Existenzen aufgebaut, zum Beispiel Bruno Jonas, der bei Radio Bremen eine eigene Fernsehserie bekommen hat und von hier aus dann das reaktionäre Bayern beschimpft, was ja eine ungewöhnliche Heldentat ist. Eine recht billige Nummer. Das sind so einheimelnde Vorstellungen, mit denen sich ein linksliberaler Studienrat in Hannover selber weismachen kann, daß er eine ganz heiße Nummer ist.

Jetzt treten Sie am Montag abend in einem Soloprogramm auf, in dem Sie zum größten Teil ältere Songs aus den 70er Jahren singen, die zusammen fast so etwas wie eine musikalische Autobiographie bilden. Liegt dem eine große Aufräumaktion in den Schubladen zugrunde?

Das sind mir immer die liebsten Songs gewesen, mit denen ich mich in den späten 70er Jahren in der bayrischen Kleinkunstszene aber einfach nicht durchsetzen konnte. Ich bin damals damit ein wenig herumgetingelt, und keiner wollte diese Lieder hören. Das war zum Kotzen! Damals war der Humor von Insterburg und Co. gerade in Mode. Aber jetzt habe ich das Gefühl, daß sowohl die Zeit wie auch ich dafür reif sind. Denn ein Grund, warum es damals nicht klappte, war wohl auch, daß ich diese Lieder noch nicht g'scheit vortragen konnte. Denn da ist es wichtig, daß du keine Faxen machst, daß du keine Zuflucht in Witzeleien suchst und ganz unmanieriert singst. Das ist gar nicht so einfach.

War es nicht auch wichtig, daß sie sich mit den verrückteren, lauteren Bühnenshows einen Namen machten, mit dem Sie sich jetzt erst diesen leiseren, intensivere Stil leisten können?

Genau so ist es. Dazu kommt, daß ich aufpassen muß, sonst falle ich mit meinen grellen, aufgekratzten Kasperle-Geschichten in die Nina Hagen-Falle. Wo du dann 55 Jahre lang mit bizarrem Lidstrich durch die Talkshows ziehst und immer noch einen draufsetzen mußt. Dann bist du auf die Deppenrolle abonniert. Und wenn du vor 15 Jahren schon mal im Club 2 im Fernsehen onaniert hast, was kannst du da noch draufsetzten?

Ich habe mit Überraschung gelesen, daß für Sie der Clown Jango Edwards in den siebziger Jahren ein großes Vorbild war.

Als ich Edwards zum ersten Mal sah, war das tatsächlich wie eine Initialzündung. Ich hab damals schon meine Kleinkunstauftritte gemacht, und ich hatte schon gemerkt, daß der normale Kleinkünstler mit Jeans, Holzfällerhemd und saubere Fingerpicking-Technik, die er in unzähligen Heimatabenden gelernt hat, nicht das Ding sein kann. Da bin ich dann zwar auch schon in schrägen Klamotten über die Bühne gelaufen, aber das war noch sehr schambegrenzt. Und dann war da plötzlich diese innere Haltung von Edwards. Er hat sich um nichts geschissen, hatte nie Angst, sein Publikum zu verschrecken. Das hat diesen wahnsinnigen Charme von ihm ausgemacht, und da wurde mir klar, daß nur das Allerverrückteste, was einem so durch denn Kopf geht, gut genug ist, um auf der Bühne präsentiert zu werden. Und von da an habe ich mich getraut, die ganze Masse von abgedrehtem Zeug, die ich immer in meinem Kopf rumgeschleppt hab, rauszulassen. Das war für mich ein befreiender Akt.

Wie bei Edwards verschwimmt ja auch bei Ihnen oft die Grenze zwischen Witz und Grauen. Was reizt Sie so an diesen Grenzüberschreitungen?

Das ist ja keine lukulische Art von Vergnügen am Häßlichen. Aber die signifikantesten Punkte im Leben eines Menschen sind entweder kurze Zustände von traumhafter Verliebtheit oder irgendwelche Katastrophen. Wirklich die Hosen runterlassen muß der Mensch ja nur, wenn es ihm ans Leder geht. Das sind die Situationen, die mich mehr interessieren, als wenn sich auf einer Kreuzfahrt der Kapitän in die Stewardeß verliebt. Und jeder, der sich seine geistigen Koordinaten nicht von einer Programmzeitschrift einladen läßt, findet ja deswegen zum Beispiel die Filme von Charlie Chaplin so gut. Das sind tragische Geschichten, bei denen man vor Rührung heulen muß, und dann sind sie wieder so bizarr lustig, daß es dir die Sinne auseinanderreißt. Das macht ja auch das alltägliche Leben manchmal so faszinierend, wenn du etwa auf eine Beerdigung gehst, wo ein 43 Jahre alter Mann beerdigt wird, der an Krebs gestorben ist und drei Kinder hinterläßt, und plötzlich passiert etwas, das dich vor Lachen beinahe zerreißt. Du läufst rot an und denkst, jetzt kann ich doch nicht einfach hier loslachen. Das finde ich geil, und nicht diese mellow jokes, die man täglich im Fernsehen serviert bekommt.

Wilfried Hippen

Ringswandl, heute abend, 19.30 h, mit seinem Soloprogramm „Staffabruck“im Goetheplatz-Theater