Die Frequenzusurpatoren

■ Das Pilotprojekt für das digitale Radio läuft zwar, doch mangels entsprechender Empfangsgeräte bleiben UKW-Frequenzen wichtig - vor allem für die Kommerzfunklobby

Wenn der Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT) eine seiner regelmäßigen Stellungnahmen abgibt, weiß der Medienjournalist das ganz gut einzuordnen: viel Wind um vergleichsweise Nichtiges. Hauptsache, es wurde mal wieder mit Getöse gegen die öffentlich- rechtlichen Sender angestunken.

So auch jüngst wieder, als sich die Kommerzfunklobbyisten über die Ausweitung der Radioprogramme des Hessischen Rundfunks mokierten. „Programmexpansion und Verdrängungsstrategie“ wirft der VPRT wiederholt den Öffentlich-Rechtlichen vor. Doch worum geht es? Im Rahmen des Pilotprojektes für das Digitale Radio (DAB) nutzt der Hessische Rundfunk einige Frequenzblöcke für die Ausstrahlung abgewandelter Programme, darunter ein neukonzipiertes Jugendradio.

Doch angesichts der Tatsache, daß im gesamten DAB-Pilotprojekt Hessen ganze 135 DAB-Empfangsgeräte in Gebrauch sind (Zahlen von Mitte November), fände die Ausstrahlung der neuen HR-Programme praktisch unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Damit die Mühen der Radiomacher nicht ganz an den Hörern vorbeizielen, überträgt der HR die neuen Programme über einige UKW-Frequenzen, mit denen er vorher den Empfang von HR 3 und HR 4 optimiert hatte. Außerdem gab's von der hessischen Landesregierung drei weitere lokale UKW-Frequenzen, gegen die nun der VPRT anstänkert.

Doch ausgerechnet die Privatradios haben dem HR das Vorbild geliefert. Schon seit April 97 sendet in einigen Regionen Hessens planet Radio, ein Ableger des hessischen Privatfunkmonopolisten FFH. Auch planet Radio hat sich ursprünglich zuerst um eine DAB-Lizenz bemüht, diese schnell ausgeweitet, um via Astra bundesweit im digitalen ADR-Modus empfangen werden zu können. Doch die Futtertröge sind und bleiben mangels anderer Empfangsgeräte die UKW-Frequenzen, die die hessische Landesmedienanstalt den Betreibern kurzerhand für einige Ballungsräume auch hinterherschob – übrigens gegen den Willen der hessischen Landesregierung, die den Versuch, die Intentionen des Landesrundfunkgesetzes zu unterlaufen, als „Coup“ bezeichnete.

Nicht nur in Hessen wurde damit den regionalen Kommerzfunk- Platzhirschen der Angelpunkt für den Aufbau einer weiteren landesweiten Frequenzkette geliefert. Auch die Bayern haben der DAB- Welle Rock-Antenne von Antenne Bayern mehrere terrestrische UKW-Frequenzen in den Rachen geworfen.

Und auch Radio NRW, das No- Name-Mantelprogramm für die nordrhein-westfälischen Lokalradios, spekuliert für sein DAB-Jugendprogramm Power Radio auf freie terrestrische Frequenzen zwischen Rhein und Weser. Der erste Schritt dahin ist getan: Die bundesweite Satellitenlizenz hat die Düsseldorfer LfR schon erteilt. Für das weitere Vorgehen darf sich der Oberhausener Sender Hoffnungen machen: Der zuständige Ausschußvorsitzende für den Lokalen Rundfunk in der Landesrundfunkkommission, Wolfgang Hahn-Cremer (SPD), verfällt verdächtig oft in ein „wir“, wenn er von Radio NRW spricht.

Gerade in den Flächenländern ist aber diese schleichende Lizenzpolitik fatal. Bislang ist in Hessen und NRW beispielsweise aus Gründen der Meinungsvielfalt nur jeweils eine landesweite Radiolizenz vergeben worden.

Insbesondere in NRW wurde selbst da, wo in einzelnen Lokalfunksendegebieten eine Frequenz frei war, bislang keine weitere Lizenz vergeben, weil bis jetzt der medienpolitische Grundkonsens hieß, daß nur landesweit ein zweiter Privatsender genehmigt werden könne. Und diese Frequenz muß entsprechend ausgelobt und dann nach Vielfaltskriterien vergeben werden. Nicht im ursprünglichen Sinne des Gesetzgebers wäre es, wenn auch diese Senderkette ohne weiteres an den Privatradiomonopolisten der Zeitungsverleger, Radio NRW, gehen würde – so wie das in Hessen und Bayern über den Schleichweg DAB schon geht.

Auch die DAB-Lobbyisten ihrerseits befürworten eine Lizenzvergabe an die schon vorhandenen Radioanbieter. Angesichts der großen Schwierigkeiten, überhaupt Kommerzfunker für das „Radio für Taube“ zu motivieren, plädiert die DAB-Plattform dafür, die wenigen Privatradios mit günstigeren Lizenzbedingungen zu belohnen, die sich am Wagnis DAB beteiligen. Jürgen Bischoff