Vom Leben geschminkt

■ Die Eröffnungsrevue des Front Frauen-Festivals im Tivoli bot Sex, große Stimmakrobatik und minder Witzbemitteltes

„Der Orgasmus, der war selbstverständlich nur gespielt“, zwitschert Nessi Tausendschön nach ihrer schweißtreibenden Interpretation des „Je t'aime“-Songs und begibt sich wieder in die Senkrechte. Das Publikum johlt. Frauenkabarett muß nicht immer nur Männermacken bloßstellen, aber wozu auf diesen Spaß verzichten? Stimmwunder Tausendschön und die oberverklemmte Sekretärin Marlene Jaschke gehören zweifellos zu den Höhepunkten des zweiten Hamburger Front-Frauen-Festivals, das am Sonntag abend im Schmidts Tivoli startete. Noch bis zum 18. Januar präsentieren mehr als 20 Kabarettistinnen von Potsdam bis Köln das beste aus ihren Programmen. Eigentlich fehlten bei der Eröffnung nur die Missfits als Hamburger Kabarett-Institution.

Die Lacher auf ihrer Seite hatte die „Ruhrpott-Piaf“Andrea Badey mit ihrer Devise „Besser gut geschminkt als vom Leben gezeichnet“. Im satten Westfalen-Slang klotzte sie mit Weisheiten ihrer abgehalfterten „Omma“. Irrsinnig komisch spielte Käthe Lachmann die Synchronsprecherin Elke Schmidt. Mit überschwenglicher Mimik imitierte sie stimmakrobatisch gewandt bis zur Schmerzgrenze.

Die Exil-Fränkin Petra Förster wagte sich an das Thema Organspende und Erbschaft mit einem wortgewaltigen Spektakel über „Benefiz-Sterben“: „Für mich ist ein Mann ohne Hirn noch lange nicht tot.“Und versuchte sich pointensicher im Dunstkreis listiger Erben, die die Worte frisch Verblichener in eine Zustimmung zur Organentnahme umdeuteten.

Mehr auf hintergründigen Humor setzte die Kölnerin Rosa K. Wirtz. Schon für ihre Gesichtsgymnastik lohnt sich ein Besuch bei Wirtz. Mutig aber überflüssig erschien die Striptease-Nummer von Lioba Albus. Die 39jährige Allroundkünstlerin mit ihrer Schwäche für bitterböse Szenen macht eben auch vor sich selbst nicht halt. Lange Gesichter gab es für das Duo Schiffer und Beckmann, die nach einer minder witzbemittelten Darbietung offenbar mit Auftrittsverbot belegt wurden. Das hatten wir eigentlich auch für Sybille Schrödter gehofft, aber die war schließlich die Veranstalterin. P.S.: Männer dürfen – sofern sie unmittelbar an der Bühne sitzen – nicht auf einen Mitleidsbonus hoffen.

Mechthild Klein

Noch bis Sonntag wechselndes Programm. Heute, 20 Uhr: Triple-Feature Petra Förster, Nessi Tausendschön und Rosa K. Wirtz