Ein stinkendes Ei fährt Karussell

■ Rund und glücklich: Christian Schlüters Inszenierung von Brechts „Hans im Glück“im Thalia

Er ist ein guter Mensch, der Hans. Sein Gesicht glänzt vor Gesundheit und manchmal ist sein Bauch vor Glück ganz leicht. Ein Sonnenscheinchen in Hochwasserhosen mit fünfmarkstückrunden, roten Backen und bis an den Rand aufgeladen mit der Obsession, immer bei sich selbst zu sein. Stark ist er, aber immer gleich. Auch bei der Liebe. Und stimmte nicht dieser todesblasse Herr Feili (Nicolas Rosat) seine sardonischen Arien auf die Programmvielfalt der Fleischeslust an, hätte Hans' brave Frau (Marion Martienzen) wohl keinen Schimmer von diesem Ziehen „in der Steißgegend“. Und davon, daß man „in alle vier Himmelsrichtungen“lieben kann. Jetzt aber strahlt die Frau und nickt. Herr Feili nimmt sie und Hans das Haus.

Mit den Verheißungen kompletter Trieberfüllung beginnt die alte Tauschhandelskette vom Hans im Glück. So war es schon beim Märchenonkel Ludwig Bechstein. In Bert Brechts Fragment jedoch, das im Herbst 1997 zum ersten Mal in der Berliner und Frankfurter Werkausgabe veröffentlicht wurde, gerät der merkantile Zyklus nicht zur besitzlosen Seligkeit in den Armen einer wiedergefundenen Mutter. Brechts Warenkreislauf interessiert nur die Rotation bis zur eigenen Auflösung: Frau gegen Haus – Haus gegen Wagen – Wagen gegen Karussell – Karussell gegen Frau – Frau gegen Gans – Gans gegen Freiheit – Freiheit gegen das nackte Leben – das nackte Leben gegen ... Leerstelle. Glücklich war der Dramatiker damit jedoch nicht und schalt sein Bühnenfragment, das er parallel zum Baal verfaßte, als: „mißlungen, ein Ei, das halb stinkt“.

Und tatsächlich eiert dieses Stück etwas trampelig und uninspiriert daher. Doch Christian Schlüters gut dosierte Mischung aus derbem Volksschwank, Jahrmarktspanoptikum und epischem Theater, setzt das Brechtsche Ei mit leichter Hand in ein eindrucksvolles inszenatorisches Karussell, das er von den Fratzen des Lebens und seiner Verwertungsmaschine säumen läßt.

„Aber alles ist schön“prangt in kreideweißer Kinderschrift als stures Trotzdem auf dem schießbudenartigen Guckkasten im hinteren Bühnenteil. Und wenn die Brechtsche Gardine davor aufgeht, sieht man ein Stück vom Firmament, fallenden Schnee, ein vorbeidrehendes Sensemädchen oder ein Kasperletheater zwischen Jahrmarktsschreierin (Hildegard Schmahl) und dem ewigfröhlichen Hans. Achim Buch spielt den Seligen konsequent und pointiert als freundlichen Fatalisten. Vollmundig bekundet er seine schlichten Losungen und hält mit der Lachmaske seine unproduktive Lebenskunst als Gegenwelt zur wirtschaftlichen Talentverwurstung hoch. Da sitzt er unter den Sternen – „so schön war es noch nie“– und ist ganz eins mit ihnen und dem Gras, in das er beißt. Eine amoralische, natursaufende, menschentauschende Gestalt, der Hans. Birgit Glombitza