Maulkorb für Schulleiter

■ Schüler verklagt Schulbehörde wegen Unterrichtsausfall. Die erteilt Redeverbot

Wenn Schulleiter sich öffentlich über die Zustände an ihren Schulen beklagen wollen, dann sieht das Hamburgs zuständige Behörde gar nicht gern. Das mußte jetzt auch der Leiter des Gymnasiums Tonndorf, Axel Weiss, erfahren. Zusammen mit einem Gymnasiasten, dessen Eltern und einem Anwalt wollte Weiss heute auf einer Pressekonferenz Stellung beziehen. Doch die Schulbehörde erteilte ihm kurzfristig einen Maulkorb.

Dem Hamburger Verwaltungsgericht liegt seit einer Woche eine Klage gegen die Schulbehörde vor. Zusammen mit seinen Eltern klagt der 14jährige Tonndorfer Gymnasiast Georg Alexander Reichstein dagegen, daß er anstelle der behördlich vorgesehen 30 Wochenstunden in diesem Jahr nur 28 Stunden pro Woche unterrichtet wird. Eine Stunde in Chemie und eine in Erdkunde entfallen, weil nicht genügend Lehrkräfte vorhanden sind.

Die klagenden Eltern führen diesen Unterrichtsausfall auf die Einführung der verläßlichen Halbtagsgrundschule zurück: Um die erhöhte Lehrerversorgung an den Grundschulen zu gewährleisten, sei Lehrpersonal von den Gymnasien an andere Schulformen umgesetzt worden. Rechtsanwalt Stefan Bock, der die Reichsteins vertritt, schließt sich dieser Argumentation in seiner Klageschrift an. Per einstweiliger Anordnung will er außerdem erreichen, daß der 14jährige Schüler doch noch zu seinen 30 Wochenstunden kommt.

Bereits in den 80er Jahren beschäftigten sich Hamburgs Verwaltungsgerichte mit dem Thema Unterrichtsausfall. Damals wies das Oberverwaltungsgericht entsprechende Anträge jedoch ab, da der Unterricht aufgrund von Krankheit und Beurlaubungen ausgefallen war. „Das ist im jetzigen Fall aber anders“, sagt Bock. Immerhin fielen hier nicht zwei Stunden aufgrund von Krankheit aus, „die sind im Stundenplan einfach nicht vorgesehen“. Bock rechnet daher mit einem Erfolg der Klage.

Die Schulbehörde will dazu keine Stellung nehmen. „Wir kennen den ganzen Vorgang noch gar nicht“, erklärte gestern der Leiter der Rechtsabteilung, Willi Rickert. Das Verwaltungsgericht habe die Behörde noch nicht informiert. Wieso Schulleiter Weiss dennoch ein Redeverbot erhielt, konnte Rickert auch nicht sagen.

Karin Flothmann