Der Crash in Hongkong läßt weltweit das Parkett beben

■ Bankenpleite führt zu Kursstürzen. Nur Wall Street bleibt cool. In Japan Rekord an Firmenpleiten. Deutsche Banken haben 210 Milliarden Mark in Krisenregion verliehen

Tokio/Berlin (taz) – In Hongkong ist gestern eine Börsenpanik ausgebrochen, nachdem die größte asiatische Investmentbank, die Hongkonger Peregrine, bankrott gegangen ist. Der dortige Hang-Seng- Aktienindex stürzte um 8,7 Prozent auf den tiefsten Stand seit drei Jahren und riß dabei die Aktienkurse in fast ganz Ostasien mit sich. In Singapur, wo die Kurse um ebenfalls fast neun Prozent fielen, sind die Aktien so billig wie seit sieben Jahren nicht mehr. Der japanische Nikkei-Index verlor 2,2 Prozent und fiel damit auf den Stand von Juli 1995 zurück.

Während sich in Deutschland die Banken wie auch Wirtschaftsminister Günter Rexrodt möglichst unbesorgt geben, sahen die Anleger das anders: Der Deutsche Aktienindex Dax rutschte um 3,5 Prozent ab. Fallende Kurse meldeten auch London und Paris. Die New Yorker Wall Street zeigte sich dagegen unbeeindruckt: Dort konnte der Dow Jones bis zum Redaktionsschluß sogar um 0,5 Prozent zulegen.

Die dramatischen Ereignisse in Hongkong haben vor allem in Japan die Sorge über faule Kredite in der chinesischen Sonderzone erneut angeheizt. Zudem hat das japanische Finanzministerium gestern zum ersten Mal seit sieben Jahren bestätigt, daß die Problemkredite in japanischen Geldinstituten dreimal höher sind als bisher angenommen wurde. Ende September 1997 beliefen sich die faulen Kredite auf den gigantischen Betrag von umgerechnet einer Billion Mark.

Japans Premier Ryutaro Hashimoto warnte mit Blick auf diese neuen Enthüllungen über das wahre Ausmaß der Finanzmalaise eindringlich vor der Gefahr, daß sein Land für die globalen Finanzmärkte wieder zu einer Bedrohung werden könnte. „Um jeden Preis“ müsse verhindert werden, daß die Krise in Japan auf den Rest der Welt übergreife. Japan ist immerhin der zweitgrößte Handelspartner der EU. Hashimoto verteidigte im Parlament seinen Vorschlag, umgerechnet rund 420 Milliarden Mark öffentliche Gelder zur Stabilisierung des Finanzsektors auszugeben. Nachdem mit Süd-Korea ein Weg zur Umschuldung eines großen Teils der kurzfristigen Verbindlichkeiten gefunden worden ist, bedrohen nun faule Kredite in Hongkong wieder die Stabilität des japanischen Finanzsektors. EU-Kommissionspräsidänt Jacques Santer forderte Japan zu Wirtschaftsreformen auf, um mit wiedergewonnener Stärke die Finanz- und Wirtschaftskrise Asiens abzuschwächen. Das japanische Währungssystem müsse gestärkt und die staatliche Lenkung der Wirtschaft abgeschwächt werden.

In Deutschland geben sich die Banken wie auch die Bankenaufsicht und die Bundesbank dagegen weiterhin seelenruhig. Als „nicht besorgniserregend“ bezeichnete ein Bundesbanksprecher die Lage. „Gar keine gravierenden Anzeichen“ für eine Krise hierzulande sieht „zum gegenwärtigen Zeitpunkt“ auch die Bankenaufsicht. „Kein Grund zur Panik“, lautet die Auskunft der Dresdner Bank.

Aber wie groß das Risiko der einzelnen Banken nun ist, darüber hüllen sich alle Sprecher beharrlich in Schweigen: Das Kreditengagement sei vertraulich. Ein Bankensprecher meinte bloß: „Wenn Sie Aktien von deutschen Banken halten, hätten Sie die lieber am Freitag verkaufen sollen.“ Aus den Statistiken der Bundesbank vom September 1997 geht hervor, daß die deutschen Banken einschließlich ihrer Auslandstöchter und -filialen fast 210 Milliarden Mark Kredite an die sechs asiatischen Krisenländer (ohne Japan) vergeben haben. Das sind etwas über sieben Prozent der Gesamtkreditvergabe an das Ausland. Allein 71,7 Milliarden Mark gingen nach Hongkong, 82,1 Milliarden Mark nach Singapur.

Den Effekt des Börsencrash in Hongkong für die deutsche Wirtschaft schätzt der Chefanalyst für Länderrisiken bei der Dresdner Bank, Rainer Schäfer, eher gering ein. Insgesamt sei allerdings ein Rückzug von Anlegern aus den Finanzmärkten der Schwellenländer zu beobachten. Problematischer sei die Signalwirkung, die von den ostasiatischen Märkten ausginge, und die Frage, ob Japan in den Strudel gerissen würde. Nachdenklich fügte er an: „So haben wir das nicht erwartet.“

Ein Wertpapierhändler warnte gar vor einer Kettenreaktion. Durch die dramatische Abwertung ihrer Währungen würden die asiatischen Tigerstaaten konkurrenzfähiger auf den Weltmärkten. Der Druck auf die Preise würde höher, die hiesigen Unternehmen müßten geringere Gewinne hinnehmen. Und dann wäre es endgültig vorbei mit dem Börsenboom. André Kunz/Nicola Liebert Bericht Seite 8