Bürgerliches Wohnen am Leipziger Platz

Haushalte mit über 4.000 Mark Nettoeinkommen sollen Wohnungseigentum in bester Lage erwerben. Stadtplaner schlagen „Volksaktien“ vor, um landeseigene Grundstücke „sozialverträglich“ zu privatisieren  ■ Von Hannes Koch

Wohnen im eigenen Haus in Prenzlauer Berg, am Spreeufer im Tiergarten oder gar am Leipziger Platz, wo heute noch die rote Infobox steht? Für 99 Prozent der BerlinerInnen ist das ein unerfüllbarer Traum. Denn Konzerne und Kapitalgesellschaften kaufen die Grundstücke und Häuser zu horrenden Preisen, schaffen Flächen für Büros und verkaufen oder vermieten den kümmerlichen Rest für Summen, die sich die wenigstens leisten können. Diese Realitäten des Immobilienmarktes schadeten mehr und mehr der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt und förderten die Entfremdung der BürgerInnen gegenüber ihrem Gemeinwesen, meint das Architektur- und Stadtplanungsbüro Maic.

Die in Charlottenburg ansässigen Planer, die sich öfters in die stadtpolitische Diskussion einschalten, schlagen zur Abhilfe die Gründung einer „Bürgerstadt Berlin Aktiengesellschaft“ vor. Diese soll EinwohnerInnen aus der Mittelschicht zu Grundstücken und Häusern im Stadtzentrum verhelfen und die Möglichkeit schaffen, billig zu bauen. Die Planer Winfried Hammann, Joseph Huber und Peter Bayerer liefern damit ein Modell zur Konkretisierung des Planwerks Innenstadt von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD). Der unternimmt mit seinem Mammutplan den Versuch, die Innenstadt zu verdichten und dort Angehörige der Mittelschichten neu anzusiedeln.

Dem Maic-Modell zufolge soll der Senat die Bürgerstadt-Aktiengesellschaft gründen und ihr einen Teil der landeseigenen Grundstücke und Häuser verkaufen. Die Aktiengesellschaft gibt dann wiederum „Volksaktien“ aus, die alle InteressentInnen erwerben können – allerdings nur bis zu einer bestimmten Menge, damit der beherrschende Einfluß großer Unternehmen ausgeschlossen bleibt. Schließlich bekommen die AktionärInnen ein Vorrecht auf den alleinigen oder gemeinschaftlichen Kauf der von der Gesellschaft errichteten Gebäude.

Die Aktiengesellschaft sei als Vermittlerin zwischen Land und EinwohnerInnen notwendig, meinen die Stadtplaner, damit die Entwicklung der Flächen im Einklang mit bestimmten politischen Zielen stehe. So soll das neue Wohnungseigentum zu erschwinglichen Preisen veräußert werden: Der Quadratmeter dürfe nicht mehr als 4.000 Mark kosten. Eine Hundert- Quadratmeter-Wohnung in bester Lage würde mit 400.000 Mark zu Buche schlagen. Zum Vergleich: Selbst in Kreuzberg kosten derartige Eigentumswohnungen heute schon bis zu 700.000 Mark.

Doch nach dem Maic-Konzept wird sich nur eine Minderheit der heutigen Bevölkerung Wohnungseigentum schaffen können. Die Baumaßnahmen sollen so gesteuert werden, daß Haushalte mit einem Nettoeinkommen über 4.000 Mark als Käufer in Frage kommen: Leute, die aus den Plattenbauten ausziehen wollen, „Ehepaare nach dem Auszug der Kinder, Zuziehende infolge des Regierungsumzugs, Yuppies“ und andere. Etwa 500.000 Haushalte kämen so als potentielle AktionärInnen in Frage.

Das Modell hat nach Ansicht der PlanerInnen viele Vorteile: Zum einen könne das Land Milliarden Mark einnehmen, indem es ungenutzte Grundstücke sozialverträglich entwickele. Die Abwanderung der vermögenden Mittelschicht in die Peripherie werde gestoppt und deren Identifikation mit der Stadt gestärkt. Außerdem verfüge die später vollkommen private Aktiengesellschaft über genug Freiraum, um ungewöhnliche Gebäude errichten zu lassen, die modernen Wohn- und Arbeitsformen besser entsprächen als die üblichen Geschoßwohnungen. Die Wiederbelebung einer Mischung aus Wohnen und Arbeiten im Stadtzentrum – auch das ist ein Ziel der Maic-Planer. Bei der Sitzung des Stadtforums im Februar wird die Idee vorgestellt.