Van Miert greift Buchverlage an

■ Der EU-Wettbewerbskommissar will grenzüberschreitende Buchpreisbindung abschaffen. Die deutschen Verlage sind empört. Ihnen droht ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand

Berlin/Brüssel (taz/dpa) – Der EU-Wettbewerbskommissar Karel Van Miert will Deutschland und Österreich dazu zwingen, das grenzüberschreitende System der Buchpreisbindung abzuschaffen. Dafür soll die Kommission heute entsprechende Beschwerdebriefe an die Regierungen in Bonn und Wien billigen. „Wir haben nichts gegen Systeme, die national funktionieren“, hieß es gestern, „aber dieses System ist grenzüberschreitend.“ Das ist nach Artikel 85 des Unionsvertrages verboten. Ein unabhängiges Gutachten habe die Kommission bestärkt, daß mögliche Ausnahmen im EU-Vertrag nicht anzuwenden seien. „Wir können deshalb nicht freistellen“, sagte ein Mitarbeiter.

Im Buchhandel ist die Empörung groß. „Hier werden Bücher zu normalen Wirtschaftsgütern erklärt“, so Eugen Emmerling, der Sprecher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Alle EU- Regierungen hätten sich für die Beibehaltung der Preisbindung ausgesprochen. Und auch EU- Kommissionschef Jacques Santer habe auf der Frankfurter Buchmesse betont, daß das Buch „ein Wirtschafts- und Kulturgut“ sei. Und Kulturgüter genießen nach Artikel 128 des Vertrages von Maastricht besonderen Schutz.

In Verlagskreisen wird gemutmaßt, daß Van Miert beim verhältnismäßig kleinen Buchhandel – der Umsatz in Deutschland lag 1996 bei 17,3 Milliarden Mark – ein Exempel statuieren wolle, nachdem er sich in bedeutenderen EU- Branchen mit Kartellbedenken nicht durchsetzen konnte.

Die gemeinsame Preisbindung in Österreich, Deutschland und der Schweiz besteht seit 1993. Wenn Van Miert sich durchsetzen sollte, würde das vor allem mehr Verwaltungskosten für die Verlage bedeuten. Sie müßten dann in Österreich und in Deutschland getrennt einen Preis pro Buch beantragen. Damit würden sie wohl das Verbot der grenzüberschreitenden Preisabsprachen umgehen. Billige Reimporte von einem Land in das andere sind nach Ansicht von Eugen Emmerling kaum möglich: „Jeder Buchverkäufer in Deutschland muß jetzt und auch künftig unterschreiben, daß er die vom Verlag vorgegebenen Preise auch verlangt. Ansonsten drohen Strafen bis zu 10.000 Mark pro Titel.“ rem