Der Schattenmann

■ Am besten ist er, wenn es ihm so richtig schlecht geht: der Songwriter Steve Wynn

Den Mann kennt man vor allem als Silhouette. Auf dem Cover seines Albums Melting In The Dark schleppte sich Steve Wynn (Foto) 1995 noch vor wolkenverhangenem Hintergrund durchs Bild, für das neue Werk, Sweetness And Light, hüpft er hingegen über eine sonnenbeschienene Wiese, als habe ihm jemand eine Hormonspritze in den Wertesten gerammt.

Nein, der Mann, der in einem seiner schönsten Songs einmal erklärt hat, weshalb er nur schwarz trägt (wegen der Trauer), hält mit seinem Befinden niemals hinterm Berg. Aber – so ist das leider nun mal – am besten ist er natürlich, wenn er am Boden liegt.

Eben wie vor drei Jahren, als er von Los Angeles nach New York umgezogen ist, um Melting In The Dark aufzunehmen. Damals standen ihm als Backingband die exzellenten Come zur Verfügung, die Wynns düsterem Todesballett eine ganz eigentümliche Dynamik verliehen. Superb war auch die perkussive Grandezza, die er zwischenzeitlich mit dem Projekt Gutterball an den Tag gelegt hat: Das war Rhythm'n'Blues außer Rand und Band. Der Power-Pop von Sweetness And Light heizt da jetzt ein bißchen zu heiter los. So muß das wahrscheinlich sein, wenn man ganz plötzlich vom Silberstreif am Horizont philoso-phiert, von der Süße des Lebens und all dem anderen positiven Zeugs. Uns soll diese augenblickliche Tendenz ins Seichte nicht stören, da der Gemütsmensch in seiner langen Karriere schon alle möglichen Hochs und Tiefs durchgemacht hat, über die eineinhalb Dekaden aber eigentlich kein bißchen schlechter geworden ist.

Anfang der Achtziger gehörte er als Chef des Dream Syndicates neben Green On Reds Dan Stuart und Russ Tolman von True West zu den zentralen Figuren des kalifornischen Paisley Underground, brachte den Rock und mit ihm das Solo zurück in den amerikanischen Gitarrenuntergrund. Schon damals war nicht jedes seiner Alben eine Wucht – Live-Auftritte gerieten jedoch stets zu kleinen Sensationen. Da steht dieser immer ein bißchen zerzauste Schattenmann dann auf der Bühne und ertränkt sich selbst in einem Meer aus Riffs.

Was natürlich viel besser ist, als sich in irgendetwas anderem zu ertränken. cbu

mit John Wesley Harding:

Do, 15. Januar, 21 Uhr, MarX