Frauen vor Trümmerlandschaft

■ Tanz auf den Gräbern: Sibylle Schönemanns Diese Tage in Terezin feiert verzweifelt die Großartigkeit eines KZ- Häftlings

Drei Frauen – die deutsche Regisseurin Sibylle Schönemann, die russisch-jüdische Schriftstellerin Lena Makarova und die israelische Sängerin Viktoria Hanna Gabbay – fahren ins ehemalige Konzentrationslager Theresienstadt und versuchen, Spuren eines ehemaligen Häftlings zu verfolgen. Soweit zur Anlage des Films. Diese Anlage muß dreierlei Situationen stützen: Die deutlich unterschiedenen Motivationen der drei Frauen, sich mit der Shoah zu beschäftigen; die immer problematischen Interviews mit überlebenden Häftlingen; das langsam sich entwickelnde Porträt des verlorenen Lebens von Karel Svenk, des Prager Kabarettistten.

Ausgangspunkt des ganzen Filmes ist die Überlegung, daß es unmöglich sei, um alle Opfer zu trauern. Man müsse deshalb die Geschichte eines einzelnen Lebens erzählen. Diese Idee ist nicht neu: Sie fand ihre Form schon in einem der fast erträglichen Momente in Schindlers Liste: der in wenigen Einstellungen erzählten Geschichte des Mädchens im roten Mantel. Unerträglich aber wurde diese Erzählung durch ihre Anbiederung: Dieses Opfer durfte als solches gesehen werden, weil es so niedlich war.

Ähnlich wird – in einer verquasten Verwechslung von Einzigartigkeit und Großartigkeit – die Großartigkeit Svenks zur Legitimation des gesamten Unterfangens behauptet. Kein Kratzer darf Svenk angetan werden: Eine der sich an ihn erinnernden Überlebenden muß sich gegen wütende Attacken zur Wehr setzen, nachdem sie gesagt hat, daß sie Svenk „häßlich“gefunden habe. Es ist überaus unangenehm, dabei zuzusehen, wie dieser Film im Versuch der „Ehrenrettung“Svenks den Respekt vor der Erinnerung überrennt.

Dazu kommt, daß in der Feier der Groß- und Einzigartigkeit Svenks jeder Bezug zu den spezifischen Bedingungen des Ghettos Theresienstadt ausgeblendet wird. In Theresienstadt nämlich, das den europäischen Juden, dem Ausland und dem Theresienstadt inspizierenden Internationalen Komitee des Roten Kreuzes als „jüdisches Siedlungsgebiet“vorgestellt wurde, herrschten tatsächlich besondere Bedingungen: In keinem anderen Ghetto konnten die Ghettoisierten in ähnlichem Maße einer kulturellen Produktion nachgehen. Um Svenk zu feiern, werden die Theresienstädter Zustände und damit die Anstrengungen und Leistungen aller anderen Kulturschaffenden verschwiegen. Nur im stummen Tanz auf diesen Gräbern kann Svenk gefeiert werden.

In diesem Scheitern wird vielleicht nur eines sichtbar: die Unmöglichkeit, zu irgendeiner Form von Abschluß der Shoah zu kommen. Wenigstens das läßt sich den Tagen in Terezin zugute halten.

Matthias Anton

Premiere am 17.01., 19.00 Uhr, mit Performance von Viktoria Hanna Gabbay, Abaton