„Bist du eigentlich lesbisch?“

Der einzige Club für Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle wird heute 25 Jahre. Rosa von Praunheim nennt den Sonntags-Club in Prenzlauer Berg den aufregendsten in der Stadt  ■ Von Jens Rübsam

Manchmal kommen Fragen nicht wirklich überraschend. Diese zum Beispiel: „Charlet, bist du eigentlich lesbisch?“

Montag nachmittag, Kopenhagener Straße 14, Infoladen des Sonntags-Clubs. Die Mädels und Jungs der Theatergruppe „Rasselbande“ sind zur wöchentlichen Probe gekommen. Bevor sie anfangen wollen, wollen sie eine Frage loswerden: „Charlet, bis du eigentlich lesbisch?“ Vermutet hatten sie so etwas. „Ich habe sie schon mal gesehen, wie sie sich mit einer Frau geküßt hat“, sagt Robin. Aber die „Chefin“ direkt fragen? Und wie die Frage formulieren?

Nun also war die Frage gestellt. Und Charlet Oesterreich war nicht überrascht, sie hatte schon viel früher mit der Frage gerechnet. Ihre Antwort kam prompt: „Ich habe mich gerade frisch verliebt, in eine Frau.“ Die Sache war damit geklärt. Die Probe konnte beginnen. Schließlich hat die „Rasselbande“ am kommenden Sonntag einen großen Auftritt. Der Sonntags-Club feiert sein 25jähriges Jubiläum. Und die Jüngsten des Sonntags- Clubs wollen zeigen, was sie gelernt haben. Das ist nicht nur Theaterspielen, sondern auch Toleranz zu haben gegenüber Lesben und Schwulen. Das war das Anliegen des Projekts, das vor gut einem Jahr begann. „Wir wollten Kindern aus dem Kiez zeigen, daß auch Schwule und Lesben ganz normal sind“, sagt Jenny Ziegenhagen, die Projektleiterin. Es ist gelungen. Wenn Robin (10) sieht, daß sich zwei Frauen oder Männer küssen, dann ist das „ganz normal“. Wenn Janine (9) von Schulkameraden die abfällige Bemerkung hört „Huch, das sind zwei Schwule“, dann entgegnet sie ihnen: „Na und? Das ist doch nicht schlimm.“

Eine Straße weiter, Rhinower Straße 8, Beratungs- und Informationszentrum des Sonntags-Clubs. An der Wand hängen Fotos, schwarzweiß und hübsch eingerahmt. Auf einem ist ein junger Mann zu sehen, in Strapsen und mit Hut, Peter verkleidet als Liza Minelli. „Das war 1975“, erinnert sich Peter. Oder war es 1976? Egal. Jedenfalls war es in einer Ostberliner Gaststätte und zu einer Zeit, als Homosexualität noch kein öffentliches Thema war. „Wir haben unsere Treffen immer als Geburtstagsfeiern getarnt“, sagt Peter. Als Liza Minelli ist er damals in der eigens gegründeten Kabarett- Gruppe aufgetreten. Die hatte sich den Namen „Hibare“ gegeben. „Hib“ kam von „Homosexuelle Interessengemeinschaft Berlin“, „are“ sollte den künstlerischen Anspruch verdeutlichen. Heute, 25 Jahre später, Peter ist ein bißchen dicker geworden, will er Liza Minelli noch einmal aufleben lassen, am Sonntag anläßlich der Jubiläumsfeier. „Ich muß nur noch ein Korsett auftreiben.“

Aus dem staatlichen Korsett wollten sich am 15. Januar 1973 sieben Studenten befreien. Im Wohnheim der Filmhochschule Potsdam saßen sie zusammen, im Westfernsehen lief Rosa von Praunheims Film „Nicht der Homsexuelle ist pervers...“. „Wir waren alle fasziniert. Raus aus den Klappen, rauf auf die Straße“, erinnert sich Michael Unger, heute Geschäftsführer des Sonntags-Clubs. Die Studenten gründeten die HIB, „einen Verein zu gründen, war damals ja nicht möglich“. Das geschah Jahre später. 1990 wurde der Sonntags- Club ins Vereinsregister eingetragen. Heute ist der Sonntags-Club das einzige Berliner Projekt, das sich gleichermaßen an Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle wendet. Der Filmemacher Rosa von Praunheim nennt den Club in Prenzlauer Berg „die aufregendste Gruppe in Berlin“. Dazu gehört die Jugendgruppe, die Grit und Thilo leiten. Immer montags ist Treffpunkt im Café des Sonntags-Club, an diesem Montag abend ist im „Rosa-Zimmer“ Body-Painting angesagt. Und dazu gehören auch die Kids der Theatergruppe „Rasselbande“.

Und die haben noch eine Frage an Charlet. „Wie kann es sein, daß eine Lesbe zwei Töchter hat?“ Doch darüber soll später diskutiert werden. Jetzt ist erst einmal Probe.

Die Geburtstagsparty 25 Jahre Sonntags-Club steigt am Sonntag ab 19 Uhr im Kesselhaus der Kulturbrauerei.