"Ich bin bei 30 Prozent"

■ Witze will J. Baptist K. im ZDF nicht erzählen, aber ordentlicher Late-Night-Talk soll es trotzdem werden: "J.B.K." (22.15 Uhr, ZDF)

taz: Was bedeutet „J.B.K.“?

Johannes B. Kerner: Johannes B. Kerner.

Sonst nichts?

Nein. Meinen Sie so was wie „jämmerlich, banal, kryptisch“?

Das haben jetzt Sie gesagt. „J.B.K“ verspricht „Elemente aus bekannten Late-Night-Shows“. Machen Sie also eine Stand-Up- Nummer am Anfang?

Nein, ich vergesse Witze oder verbocke Pointen. Das kann Harald Schmidt wirklich besser.

Welche „bekannten Late- Night-Shows“ sind noch gemeint?

Es gibt sehr gute im ungarischen und im finnischen Fernsehen. Das hat damit zu tun, daß in Finnland die Nächte sehr lang sind — vor allem im Winter... Im Ernst: In Late- Night-Shows wird doch immer versucht, Gäste von einer etwas anderen Seite zu zeigen. Denken Sie an Celina Scott oder Jay Leno. Auch da gibt es Filmberichte mit witzigen Texten, Schaltungen, auch gefakte...

...und „klassisch-niveauvollen“ Abend-Talk, wie es der „J.B.K.“-Pressetext verspricht.

Die Leute haben doch immer noch im Kopf, daß es eine Bad- Talkshow gibt, das ist die Daily, und eine gute, etwa „3 nach 9“ oder Biolek. Wobei auch der mal eine ZDF-Ansagerin zu Gast hatte, die ihren Mann verloren hat oder so.

Sind Sie die Daily jetzt leid, nach 400 „Kerner“-Sendungen?

Bei der Daily gibt es ja einen Themenkanon, so ca. 50 Themen. Und die wiederholen sich. Also ein Vater sagt: „Ich habe meinen Jungen verprügelt“, oder der Junge: „Mein Vater verprügelt mich“... Ich habe jetzt alle 50 achtmal durch. Das reicht mir.

Haben Sie bei „J.B.K.“ ein Mitspracherecht bei der Themenwahl?

Natürlich.

Ihre Sendung soll „aktuell“ sein. Das erste Thema „Ganz oben“ stand aber schon im Dezember fest.

Wir sind monothematisch, das bedeutet, wir fassen das Thema so eng, daß wir immer aktuell sind.

„J.B.K.“ klingt in den Ankündigungen wie „Sabine Christiansen“ fürs Volk: auch monothematisch, Reportagebeiträge, Live- Schaltungen, Studiogespräche. Aber bei Ihnen darf sich das Studiopublikum beteiligen.

Sabine Christiansen finde ich einen guten Typ. Ich habe aber auch ihre Sendung gesehen. Meine Sendung unterscheidet sich an einigen Stellen elementar. Wenn wir allerdings Frau Christiansens Quote einfahren, würde uns das schon beruhigen.

Läßt Sie das ZDF auch an Politiker ran? Willemsen darf ja nicht.

Ich darf.

Helmut Markwort dürfte auch kommen?

Warum denn nicht? Der ist doch aus dem Hause Burda der einzige Journalist, den man kennt. Warum also nicht Markwort? Hat der was Böses gemacht?

„Focus“ vielleicht?

Die „Blattwerdung des Bösen“? „Montag für Montag“? Nein. Aber belästigt Markwort andere sexuell am Arbeitsplatz? Macht er Werbung für ausländerfeindliche Organisationen? Nein.

Er hat mal in einem Softporno mitgespielt.

Hat er? Das wußte ich gar nicht. Ich lade ihn trotzdem ein.

Würden Sie auch Christoph Schlingensief einladen?

Selbstverständlich. Na klar.

In der „Bunten“ sagen sie: „Schlingensief ist erbärmlich. Jeder weitere Satz würde ihm Bedeutung zumessen, die er nicht hat.“

Ich kann seine künstlerische Arbeit nicht so einschätzen. „Kettensägen-Massaker“ habe ich nicht gesehen. Und seine Theaterarbeit auch nicht. Aber Krawall zum Selbstzweck finde ich etwas dürftig, wenn die Form den Inhalt bestimmt, finde ich das nicht mehr gut.

In Ihrer letzten „Kerner“-Sendung [morgen, 11 Uhr, Sat.1] hat Schlingensief während der Aufzeichnung das Studio verlassen. Was war denn da vorgefallen?

Was heißt „vorgefallen“. Er war dort Gast. Ich hatte mir als letztes Thema gewünscht: „Ich habe eine tägliche Talkshow“. Leider gab es eine Menge Absagen von Talk- Kollegen, und ich hatte schon überhaupt keinen Bock mehr auf das Thema. Dann kamen letztlich Vera int Veen, Kerstin Graf, Jörg Pilawa...

...und Pfarrer Fliege.

Den habe ich in Kauf genommen. Und dann haben meine Leute gesagt: „Schlingensief — Talk 2000“, das ist der Bringer! Er war also in der Sendung und hat gesagt: „gräßlich, grausam“ und daß er das nicht länger aushält. Und dann ist er gegangen. Das ist mir aber nicht mehr wichtig. Tatsache ist: Ich war nicht gut in der Sendung. Mir war nach Party und Stimmung. Aber die Stimmung war weg. Das war schade.

Apropos „weg“: Wann kommt denn Frau Schreinemakers zu „J.B.K.“? Die wäre ja sendeplatztechnisch Ihre größte Konkurrentin gewesen. Oder anders gefragt: Wann heißt es bei Ihnen „Ganz unten“?

Ich habe sie gerade angerufen, für das Thema der nächsten Woche: „Abgetaucht“. Da stand sie ganz oben auf der Liste, aber sie will noch nicht.

Noch mal zu „Ganz oben“: Wie bei „Menschen 97“ könnten Sie ja wieder Ihr eigener Gast sein.

Nein, ich bin ja nicht ganz oben. Vielleicht kommt ja noch was. Der ehemalige Konkret-Redakteur Stefan Aust hat es immerhin bis zum Chefredakteur des Spiegel geschafft. Also, ich bin ungefähr bei 30 Prozent. Das können Sie als Drohung auffassen, da kann ich Ihnen nicht weiter helfen.

Interview: Christoph Schultheis