Im Vollrausch gemütlich

■ Amerikanisierung auf isländisch: Fridrik Thor Fridrikssons Film "Die Teufelsinsel"

Nach Island, erzählte vor kurzem Björk im Fernsehen, kamen Bands früher nur alle fünf Jahre: Erst Led Zepplin, dann die Stranglers und später Boy George. Schließlich ist die nette Sängerin selbst Richtung England abgehauen.

Doch noch weit vor „Whole Lotta Love“ war Glenn Millers „Moonlight Serenade“ da. Fridrik Thor Fridrikssons schwermütige Familien-Saga beginnt in den Fifties, mit dem Abzug der Amerikaner aus Reykjavik nach dem Zweiten Weltkrieg.

Prompt entsteht aus Baracken und leeren Flugzeughangars das Thule-Camp, eine Armensiedlung für verwilderte Großfamilien, die mit dem modernen Leben im Neubau nebenan nichts anfangen können – dort hausen sowieso nur Geister und furzen in die Mondänität, wie die grimmige alte Wahrsagerin Karolina ihren Enkeln täglich aufs Neue einbläut. Und weil die Kinder ihr das alles glauben, hat sich schon bald einer der Knirpse selbst umgebracht, nachdem ihn Nachbarsjungen wegen seiner schrulligen Hexen-Oma aufgezogen haben.

Man merkt's schnell: Island ist ein Ort, an dem die Menschen ein wenig schräg zum Lauf der Dinge stehen. Die Welt ist hier meistens düster und karg und erst im Vollrausch gemütlich. Und weil die Amis das Bier mitgebracht haben, bekommen sie als Gegengabe die isländischen Frauen geschenkt. Das macht zwar noch ein bißchen betrunkener, aber auch einsam – ein Teufelskreis, aus dem der junge Baddi mit seiner Mutter in die USA fliehen will, um am Ende als Alkoholiker alleingelassen vor einer der Neubauburgen zu verkümmern.

Zuvor kehrt er jedoch als echt lockerer Halbstarker aus Amerika zurück. Er schnippt wie James Dean mit dem Finger, flucht in lauter Filmsprüchen und raucht meterweise Zigaretten wie ein Schlot. Er bringt das Fernsehen in die Baracken und den Barbaren Rock 'n' Roll. Vor allem aber spannt er seinem schüchternen Bruder Danni die Freundin aus, weshalb dieser aus Verzweiflung über den Verlust als Rettungsflieger anheuert, um zuletzt selbst zu verunglücken. Darüber ist Baddi dann tieftraurig, weshalb immer weiter gesoffen werden muß. Draußen leuchtet die Landschaft wie die orangefarbene Cordhose während eines LSD- Trips.

Daß die Isländer die Amerikanisierung trotz des ganzen Elends stets gemocht haben, findet sich in Fridriksson extrem leichten Umgang mit Pop wieder: „Die Teufelsinsel“ zitiert die holperige Archaik des Gemüts bei Kaurismäkis Leningrad Cowboys und spitzt die Atmosphäre mit finsteren Typen à la Tarantinos „Reservoir Dogs“ zu – man trinkt, man lallt, man schlägt sich.

Vielleicht ist die Freude am Trash in der Fremde aber auch bloß ein Mißverständnis. Fridrik Thor Fridriksson jedenfalls sieht seinen Film als freundliches Angebot an den Gemeinsinn: „Ich hatte immer das Gefühl, daß John Fords Westernfiguren unsere Nachbarn sind“. Harald Fricke

„Die Teufelsinsel“, Regie: Fridrik Thor Fridriksson; Island/Deutschland/Norwegen/Dänemark 1996, 103 Min.