"Wenn man neu ist, hören alle zu"

■ Wie Felix Magath es sich erklärt, daß er erst erfolgreich war, dann nicht mehr und nun mit Nürnberg gen Bundesliga marschiert - jeweils ohne seine Arbeitsweise zu ändern

Berlin (taz) – „Es gibt keine guten oder schlechten Trainer. Nur erfolgreiche und erfolglose.“ Felix Magath (44) spricht mal wieder klare Worte. Als ehemaliger Fußballprofi beim Hamburger SV und in der Nationalmannschaft eher dafür bekannt, einzustecken als auszuteilen, gibt er sich in seiner zweiten Karriere als Fußball-Lehrer gerne streng und autoritär. Ob Fassade oder aus Überzeugung ist schwer zu sagen. 1995 beim HSV vom Assistenten zum Cheftrainer befördert, führte er die Mannschaft vom 17. Tabellenplatz geradewegs in den Uefa-Cup, und seine scheinbar archaische Arbeitsweise wurde als stilbildend und zukunftsweisend gefeiert. Bei seinem jetzigen Verein, dem Zweitligisten 1. FC Nürnberg, gelang ihm ein ähnliches Kunststück. Als er vergangenen September den Club übernahm, stand das Team am Tabellenende, mit fünf Niederlagen in sechs Spielen. Heute, vor dem Beginn der Rückrunde, gilt Nürnberg als Anwärter auf den Aufstieg. 26 Punkte aus 12 Spielen, darunter 6 Siege in Folge, bedeuten Platz 5. Tendenz steigend.

Ein Typ Marke Retter will er deshalb aber nicht sein: „Schließlich möchte ich noch mehr erreichen als immer nur weg vom Abstiegsplatz.“ Sein Ziel heißt: Aufstieg in die erste Bundesliga. Und damit auch weg vom faden Image eines Retters. Denn seitdem er die Teams aus Hamburg und Nürnberg binnen weniger Monate aus der Abstiegszone in das obere Drittel der Tabelle hievte, haftet ihm jene Auszeichnung an, mit der sich kein Trainer auf Dauer schmücken will.

Zudem, ein Anti-Abstiegsrezept hat selbst Magath nicht. Vielmehr läßt sich der – zumindest kurzfristige – Erfolg für ihn logisch erklären: „Wenn man zu einer Mannschaft kommt, die unten steht, sind die Spieler stark verunsichert. Und dankbar, wenn ihnen jemand die Richtung angibt. Dann hören alle zu.“ Die Konsequenz sei letztlich, daß „die Spieler die Anweisungen des Trainers befolgen und sich mehr für die Mannschaft einsetzen“.

Aus Erfahrung weiß Magath aber auch, daß die Gratwanderung zwischen Held und Versager nicht allein von der eigenen Arbeit abhängt. „Beim HSV wurde mir deutlich, daß es nichts mit guter oder schlechter Trainer zu tun hat, sondern vielmehr mit dem Umfeld, mit Faktoren wie Präsidium, Medien, Fans. Diese Faktoren spielen eine wichtige Rolle für die Stimmung im Verein, und ohne positive Stimmung kann kein Trainer heutzutage überleben.“ Die fehlte ihm beim HSV bereits ein knappes Dreivierteljahr nach seinem geglückten Trainerdebüt. Als die Mannschaft wieder in den Abstiegskampf geriet, mußte Magath für das Präsidium den Sündenbock spielen – und den Verein verlassen. Seine Methodik der kühlen Grausamkeit galt plötzlich als Hauptgrund für die Havarie.

Kamen mit der Kündigung auch die Selbstzweifel am eigenen System? „Ich nehme das Geschäft nicht so ernst, daß ich an mir zweifeln würde“, sagt Magath und schaut dabei recht leidenschaftslos in die Gegend. Dann echauffiert er sich doch ein bißchen über seinen früheren Arbeitgeber: „Wenn ich aber diese Ausreden höre. Ich habe beim HSV im ersten Jahr genauso gearbeitet wie im zweiten, und plötzlich soll es falsch gewesen sein. Da kann ich nur müde lächeln.“

Als die ersehnte HSV-Renaissance weit unwahrscheinlicher geworden war als der Abstieg und Vorstand, Fans und Medien sich gegenseitig hochschaukelten, wurden Magaths Macht und seine Rückendeckung durch den Präsidenten Uwe Seeler täglich geringer. „Aber“, sagt Magath mit feiner Ironie, „ein gut geführter Verein bringt es fertig, daß ein Trainer auch in erfolgloseren Zeiten seine Arbeit machen kann, ohne durch die Medien unter Druck zu geraten.“

Magath, der als einer jener Fachanalytiker gilt, die stundenlang Videos von Gegnern studieren und Schachspiel als seine Passion nennt, denkt stets strategisch: „Wenn man sieht und fühlt und merkt, wie die Führung des Vereins langsam die Deckung des Trainers aufgibt, ist es meist zu spät.“ Da nützen dann auch Erfahrungen aus über 300 Bundesligaspielen und 43 Einsätzen in der Nationalelf wenig. Auch Magath muß sich den Gesetzmäßigkeiten im Fußballgeschäft beugen. Aber er versteht damit umzugehen. Sagt er. Angst vor der nächsten Entlassung? Spürt er nicht: „Ich weiß, daß die Leistung einer Mannschaft nicht mehr allein vom Trainer beeinflußt wird, sondern vom gesamten Verein. Ich gehe davon aus, daß es früher oder später so oder so passiert, deshalb stört es mich nicht, wenn ich irgendwann wieder die Koffer packen muß.“

Momentan ist er allerdings in der aufsteigenden Phase. Jener, in der viel gewonnen wird, das Umfeld in Nürnberg also stimmt, der Club-Präsident Michael A. Roth hinter ihm steht und die Fans ihn akzeptieren. Vielleicht hilft ihm, daß er als gebürtiger Aschaffenburger ein echter Franke ist. Sein Vertrag in Nürnberg läuft bis Juni 1999. Sollte der Club tatsächlich den Sprung in die oberste deutsche Fußballklasse schaffen, sind ihm 300.000 Mark Aufstiegsprämie sicher. Wichtiger aber wäre: Er hätte sein ganz spezielles Modell Erfolgstrainer auf längere Zeit in der Branche rehabilitiert. Gerald Kleffmann