Analyse
: Verfrühtes Selbstlob

■ Niedrigeres Haushaltsdefizit führt noch nicht in die Währungsunion

Das alles entscheidende Jahr für die Europäische Währungsunion ist 1997. Von der Größe des Defizits im vergangenen Jahr hängt es ab, ob ein Land in den Euro-Club aufgenommen wird oder nicht. Und da scheint die Bundesrepublik nach der Vorlage des Haushaltsabschlusses 1997 ganz prima dazustehen – zumindest auf den ersten Blick.

Neuverschuldung sechs Milliarden Mark unter der geplanten Grenze von 70,9 Milliarden Mark! So die Jubelmeldung von Theo Waigel. Damit „steht der deutschen Euro-Teilnahme nichts mehr im Wege“, schlußfolgert pflichtschuldig das Handelsblatt. Das ist allerdings reichlich voreilig.

Zwar stimmt es, daß 1997 der Bund 14 Milliarden Mark weniger Schulden machte als 96. Doch nicht so gut klingt, daß er elf Milliarden mehr ausgegeben hat, als ursprünglich im 97er-Haushalt vorgesehen war. Die sechs Milliarden Mark Einsparungen heißen lediglich, daß Waigel die Mittel des erst im November beschlossenen Nachtragshaushalts nicht komplett aufgebraucht hat.

Dieser Nachtragshaushalt, lästert die Opposition, war ja auch so großzügig bemessen, daß es kein Kunststück war, ihn nicht voll auszuschöpfen. Daraus ergab sich für Waigel neben der guten Publicity aber noch ein weiterer Vorteil: Im laufenden Jahr kann er sich bei Bedarf aus dem übriggebliebenen Kredittopf bedienen, ohne einen neuen Nachtragshaushalt zu beantragen. Als „schwarze Kasse“ für das Wahljahr 98 bezeichnet das der SPD-Haushaltsexperte Karl Diller.

Die Sache mit der Währungsunion ist damit aber noch längst nicht ausgestanden, weil in die Berechnung des deutschen Defizts nicht nur die Schulden des Bundes eingehen, sondern auch die der Länder und Gemeinden. Waigel selbst hatte mal festgestellt, daß der Bund nur die Hälfte des maximal erlaubten Defizits von rund 110 Milliarden Mark bestreiten dürfe. Dieses Ziel hat er deutlich verfehlt: Die 97er-Neuverschuldung beträgt 64,6 Milliarden Mark, und das sind nicht 50, sondern fast 60 Prozent der in den Maastricht-Kriterien festgelegten Defizit-Höchstgrenze. Ob das deutsche Defizit inklusive der Länder und Kommunen unter den erlaubten drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts bleibt, wird erst im Februar berechnet.

Während also noch längst nicht klar ist, wie Waigels Kampf um den Euro ausgeht, weiß man allerdings schon, wer die Verlierer sind: die Arbeitslosen. Denn der Staat hat nicht nur etwas höhere Einnahmen verzeichnet (aus Privatisierungen und unvorhergesehen Rückzahlungen von Airbus) und etwas weniger Zinsen für seine Schulden zahlen müssen. Gespart hat er vor allem bei den Überweisungen an die Bundesanstalt für Arbeit. So sind zum Beispiel vergangenes Jahr nur rund 137.000 Menschen in den Genuß einer ABM-Stelle gekommen, gut halb so viele wie 1996. Nicola Liebert