Hanf macht mobil

■ Die Kastrierten Philosophen heiraten und laden zu ihrem Polterabend mit Zion Train eine famose Live-Band zwischen Dub und House ein

Einige Leute wollen sich nicht festschreiben, mit Worten eingrenzen lassen. Molara will sich noch nicht einmal darauf festlegen, daß sie die Sängerin von Zion Train ist. Denn neben den souligen Gesangseinlagen ist sie noch für die Buchhaltung und einiges mehr verantwortlich – einschließlich der Reinigung. Arbeitsteilung ist ein Konzept, das spurlos an Zion Train vorbeigegangen ist. „Wir sind ein Kollektiv von 4 bis 10 jungen Leuten, die alles möglich machen“, sagt Molara im Gespräch mit der taz hamburg. Kennengelernt haben sich Zion Train beim Rennovieren eines besetzten Hauses. Nail, der heute mixt, war der Klempner, während Dave, der im Studio Baß spielt, Fliesen legte. „Als wir dann vertrieben wurden, habe ich mit Promotion bei einer Plattenfirma angefangen.“ Dabei legen sie sich so wenig möglich fest in ihren Aufgabenbereichen, spielen im Studio andere Instrumente als live, entdecken eigene Talente.

Noch nicht einmal London, wo sie gerade wohnen, dient als Referenz. „Die Regierung behauptet, daß es wichtig ist, wo man wohnt. Wir kommen alle aus kleinen Nestern und sind nur zufällig in London gelandet. Es geht uns daher eher darum, möglichst viel zu reisen, um unser Leben zu bereichern.“ Dabei wundert es kaum, daß sie, wie andere Neo-Dub-Formationen, tief in der englischen Free-Festival- Szene stecken. Festivals wie jenes in Glastonburry, das von Travellern gegründet und dieses Jahr nun schon zum 25. Mal ausgetragen wurde, haben kaum etwas mit den hier üblichen Massenveranstaltungen zu tun. Doch eben diese kostenlosen, spontan abgehaltenen Festivals mit Bands, Clowns und Zauberern sind durch den Criminal Justice Act von 1994 bedroht. Molara sieht in dem Gesetz, das einem Versammlungsverbot gleichkommt, ein Schlag gegen repetitive Musik und den alternativen Lebensstil der Festival-Szene. Dagegen vorzugehen kommt für sie schon einer kleinen Revolution gleich.

Wenn man, wie sie vorschlägt, die Titel ihrer aktuellen LP Homegrown Fantasy durchgehend liest, wird das Credo ihrer Revolution deutlich – es ist die Utopie eines anderen Miteinanders, ein seliges „one world, one heart, one conscience“. Zeichen dafür ist das Marihuana-Blatt, das nicht für THC, sondern für das nutzbringende Hanf steht, aus dem man ebenso Häuser bauen wie die Welternährungsprobleme lindern könne. „Unser Hanfblatt auf dem Cover hat an den Rändern Flügel, denn Hanf ist das Symbol für die Zukunft.“

Die Errungenschaften aus dem Dub-Reggae wie Echos, Delays und der nachträglichen Tonspurberarbeitung sind auch die Basis ihrer Musik. Hinzu kommt aber noch neben House die Rhythmik und Instrumentierung von Ska, die auf den neuesten technologischen Stand gebracht wird. Bei alledem haben Zion Train aber stets eine gehörige Portion Pop-Appeal bewahrt – nicht umsonst sind sie die erste Neo-Dub-Band mit Major-Vertrag . Volker Marquardt Sa, 26. 8., Große Freiheit, 22 Uhr