Künftig wird um die Wette geputzt

■ Frauen machen mobil: Bremerhavener Magistrat will Tarifvertrag für Putzkräfte kündigen / Privatisierung befürchtet

Von dreckigen Kaffeetassen im Lehrerzimmer und überall verteilten Stühlen hat Elke H. sogar schon geträumt, „schlecht geträumt“. Denn jede Kleinigkeit, die nicht direkt zur Arbeit gehört, die sie aber erledigen muß, bevor es losgehen kann, verzögert das Tempo ihrer gesamten Reinigungskolonne. Ganz abgesehen von Rückenschmerzen, die sich die 31jährige immer wieder holt, wenn sie dreißig Viertklässlerstühle auf die Tische heben oder schwere Putzmaschinen in den dritten Stock schleppen muß: Putzfrauen haben doppelt so häufig behandlungsbedürftige Kreuzprobleme wie andere Arbeiterinnen.

Etwa „150 Quadratmeter nass“muß eine Reinigungsfachkraft, die wie Elke H. beim Bremerhavener Magistrat arbeitet, pro Stunde schaffen. Und mehr, wenn eine Kollegin ausgefallen ist. Aushilfen gibt es seit dem Einstellungsstopp im Öffentlichen Dienst kaum noch. Und die Arbeit ist anspruchsvoller und technisch komplizierter geworden. Pädagogisch wertvolle sogenannte Kuschelecken und entkernte, sprich begrünte und gepflasterte Schulhöfe sorgen für mehr Dreck, an den schwieriger ranzukommen ist. Und dafür bekommt Elke H. 1.900 Mark brutto, knapp 1.400 netto, bei einer 25-Stundenwoche. Trotzdem ist sie zufrieden: „Es könnte schlimmer sein.“

Das wird es wohl auch bald, befürchten Gesamtpersonalrat und die Bremerhavener ÖTV. Daß bislang nicht noch mehr als 27 Prozent der Magistratsflächen bereits von privaten Anbietern gereinigt werden, liegt am geltenden Tarifvertrag. Der war 1993 abgeschlossen worden. „Unter großen Bauchschmerzen“, erklärt die Gewerkschaftssekretärin Karin Bober. Immerhin ermöglichte er erstmals Privatisierungen, auch wenn die auf 40 Prozent begrenzt und mit der Bedingung verknüpft wurden, ausschließlich sozialversicherte Beschäftigte einzusetzen – was viele Firmen offenbar abgeschreckt hat.

Heute wäre die ÖTV froh, wenn der Vertrag einfach verlängert würde. Aber Magistratsdirektor Dietrich Kleine hat bereits unmißverständlich erklärt: "Machen Sie sich keine Hoffnungen.“

Jetzt wollen die Frauen in die Offensive gehen und eigene Vorschläge machen. „Wenn wir uns verschließen, wird ab 2000 hundertprozentig privatisiert“, sagt die Vorsitzende des Gesamtpersonalrats Edelgard Becker. Es gehe aber nicht unbedingt darum, die Privaten zu unterbieten. Vor allem müsse gezeigt werden, „wo unsere Stärken sind“. Nur sechs bis sieben Prozent der privaten Betriebe leisten sich einen Betriebsrat, beinahe 80 Prozent aller Kräfte sind geringfügig, also auf 610-Mark-Basis beschäftigt. Das käme den Magistrat zunächst billiger. Aber wegen der fehlenden Absicherung müßten viele der Frauen im Alter Sozialhilfe beantragen, die wiederum zu Lasten der Kommune gehe.

Außerdem werben Private mit Leistungen von bis zu 200 Quadratmetern pro Stunde, übernehmen aber heikle Bereiche wie Labore gar nicht erst. Jüngstes Beispiel: Das Zentralkrankenhaus Bremen-Ost nahm im Oktober 1997 die zwei Jahre zuvor erfolgte Privatisierung zurück, weil die kommunalen Reinigungskräfte ein besseres Angebot machten.

„Trotzdem müssen wir Zugeständnisse machen“, sagt Becker: bei den Reinigungsfrequenzen, der Arbeitsaufteilung, den Arbeitszeiten. Sie glaube aber, bis Ende 1999 ein Konzept vorlegen zu können, das den jetzt Beschäftigten Bestandsschutz gewährt und zugleich wirtschaftlicher und flexibler ist.

Beate Willms