Unmoralische Weibsbilder, naive Tenöre

■ Die Mezzosopranistin Olga Borodina mit einem Liederabend in der Staatsoper

Frauen mit tiefen Stimmen sind gefährlich. Sie heißen Carmen, Dalilah oder Venus und trachten immer danach, naive Tenöre ins Verderben zu reißen. Um den sinnlichen Reiz, der von diesen zutiefst unmoralischen Weibsbildern ausgeht, auf der Opernbühne nachvollziehbar zu machen, braucht es eine Stimme, die neben dem weiten Spektrum sängerischen Ausdrucks von dramatischer Durchschlagskraft bis hin zu tragfähigem pianissimo auch noch über ein suggestiv-sinnliches Timbre verfügt.

Der üppig verströmende Mezzosopran Olga Borodinas besitzt alle diese Eigenschaften, kein Wunder daher, daß die Petersburgerin in den letzten Jahren eine steile Karriere hinter sich gebracht hat. Eine Klasse schwerer als ihre hochgepushten Kolleginnen Cecilia Bartoli und Jennifer Larmore, ist ihre Stimme frei von der gutturalen Bärbeißigkeit, die Kennzeichen der russischen Sängerinnen von Elena Obraszowa bis Irina Archipowa war.

Mit russischem Repertoire, vor allem der Marfa aus Mussorgskis Chowanschtschina, erregte Olga Borodina, damals schon Mitglied von Valery Gergejews Kirov-Ensemble, 1989 nach ihrem Sieg im renommierten Gesangswettbewerb von Barcelona erstes Aufsehen in der Fachwelt. Diese extrem tief notierte Partie, die sie auch in der Hamburger Kupfer-Inszenierung sang, diente ihr als Eintrittskarte bei den großen Opernhäusern.

Die wenigen Rollen, die Olga Borodina seitdem einstudiert hat, zeigen jedoch, daß sich die Sängerin nicht auf einen Stil festlegen lassen will. Saint-Saens'Dalilah, Berlioz'Marguerite oder Rossinis Cenerentola – ihr Repertoire spart nur die großen Verdi-Charaktere aus und zeugt von vorsichtigem Umgang mit den Möglichkeiten der eigenen Stimme.

Die Dalilah wird sie in dieser Spielzeit auch in Hamburg vorstellen, unter der Leitung des Dirigier-Veterans Georges Pretre ein fast schon vorprogrammierter Saisonhöhepunkt.

Neben ihren Opernengagements profiliert sich Olga Borodina zusehends auch als Liedinterpretin. Zwei CDs mit Kunstliedern von Tschaikowsky, Rimsky-Korsakow und anderen hat Philips bereits mit ihr herausgebracht, und Auszüge aus ihrem Tschaikowsky-Album stehen auch auf dem Programm ihres Liederabends, den sie heute in der Staatsoper bestreitet.

Jörg Königsdorf Do, 24. 8, Hamburgische Staatsoper, 20 Uhr