Aus der Wüste in den Wald

■ Was steht denn da herum? Ein kolossales Denkmal am Aumühler Teich / Auf Safari in die großdeutsche Vergangenheit Mit Rainer Glitz

Die S-Bahn-Linie 21 führt weit hinaus vor die Tore Hamburgs. Braun ist die Linie auf dem HVV-Plan eingezeichnet. Die quietschenden und ratternden Waggons aus den 30er Jahren stoppen in Friedrichsruh. Verlassen sind die zerfallenden Gemäuer des Bahnhofs, Ausgangspunkt für eine Reise in die Gegenwart deutscher Vergangenheit.

Zur Rechten liegt das Bismarck-Museum, zieren Geweihe den Eingang des Fachwerkhauses. Ein Schild gegenüber weist den Weg zur Gruftkapelle des Reichskanzlers. „Photographieren“ ist strengstens untersagt.

Hinaus aus dem düsteren Mausoleum, hinein in den sonnenüberfluteten „Garten der Schmetterlinge“. Ein beinahe unverfängliches Plätzchen. „Hier könnte man gut Picknick machen“, meint eine ältere Dame mit Stützstrümpfen und C & A-Tüte zu ihrer blümchenkleidtragenden Bekannten. Und am Rande des Gartens sinniert Fürst Otto von Bismarck steinern und etwa in Muppet-Größe in Versform über den deutschen Wald.

Wanderung am Mühlenteich entlang, auf gute altdeutsche Art irgendwo einkehren auf eine kleine Erfrischung. Auf der Seeterrasse des Hotels Waldesruh wird nicht einfach Selters, sondern Fürst Bismarck-Quelle serviert. Der Ausblick ist lohnend. Enten dümpeln auf dem grün umrahmten Mühlenteich, am Ende der Wiese überrascht zur Rechten ein martialischer Kunstgenuß. Überlebensgroß in Stein gehauen ragen da drei Figuren, die man Ende des 20. Jahrhunderts hier nicht vermutete.

„Deutsch-Ostafrika 1914 – 18“ steht dort lapidar, verwittert und kaum leserlich am Fuß des Werkes, das einen Askari-Krieger, seinen teutonischen General Paul von Lettow-Vorbeck und ihren erschöpften schwarzen Träger beim Kampf um die deutsche Sache verkörpert. Die nette kleine Szene des kolonialen Spähtrupps symbolisiert den heroischen Widerstand der Kaiserlichen Schutztruppe, die in der besagten Zeit im heutigen Tansania einer erdrückenden britischen Übermacht bis zum Ende des Kaiserreiches im November 1918 trotzte.

Geschaffen wurde das Monument deutscher Stärke, hinter dem sich heute der Komposthaufen des Hotels befindet, während des „1000jährigen Reiches“ auf Bestellung der Düsseldorfer „Kolonialfreunde“.

Der seinerzeit wohl halbberühmte Maler Walther von Ruckteschell entwarf das Modell, seine Gattin Claire schlug die Szene aus einem Sandsteinklotz. 1945 versteckte sie ihr Werk schamhaft, um es am 6. Mai 1955 in Gegenwart des ehemaligen Gouverneurs von Togo und 500 „alten Ostafrikanern“ noch mal feierlich zu enthüllen. Und das noch zu Lebzeiten des wohl größten der deutschen Afrikahelden – Wüstenfüchse einmal ausgenommen–: Paul von Lettow-Vorbeck (1870-1964), Generalmajor und Anführer des glorreichen Haufens. Der Prototyp des preußischen Offiziers hatte sich , nach seinen Afrika-Abenteuern heimgekehrt, sogleich um die Bekämpfung der „Novemberverbrecher“ verdient gemacht.

Heroisch war ihm 1919 die Niederschlagung eines kommunistischen Aufstandes in Hamburg gelungen. Die Teilnahme am reaktionären Kapp-Putsch im Folgejahr kostete ihn allerdings seinen Posten bei der Reichswehr. Er reüssierte, wie andere Ex-Soldaten damals auch, anschließend als Politiker und Schriftsteller und bezog noch bis 1964 seine Pension von der BRD.

„Proteste von Gästen gab–s nicht einmal während der APO-Zeit“, behauptet Jürgen Götz, seit just jenen Jahren Pächter des Hotels, „es wurde in der Presse lange gehetzt, aber in letzter Zeit ist es sehr ruhig.“ Er bietet den Freunden großdeutscher Kunst heute eine Fan-Postkarte feil, garniert mit dem Text des schönen Liedes „Heia Safari“ („Wie oft sind wir geschritten auf schmalem Negerpfad...“), Titel übrigens auch eines der Bücher Lettow-Vorbecks. Die Devotionalie findet in letzter Zeit wieder mehr Abnehmer, seit die drei Heroen als Kulisse für eine Krimiserie am Vorabend diente.

Freunden einstiger Reichskanzler bietet sich zum Abschluß ein Fußmarsch durch das villenreiche Aumühle in Richtung Waldfriedhof an. Hier ruht seit 1980 der Großadmiral a. D. Karl Dönitz, im Mai 1945 für 20 Tage Amtsnachfolger des „Größten Feldherren Aller Zeiten“. „Da war hier die Hölle los, als der gestorben ist“, weiß der SPD-Ortsvereinsvorsitzende Burghart Tessendorf zu berichten, ebenso von feierlichen Treffen am 1. März, wenn sich des Eisernen Kanzlers Geburtstag jährt, oder am 18. Januar, dem „Reichsgrünungs-tag“.

Noch schnell einen fürstlichen Kornbrand gekippt und nichts wie weg ins „Großstadtrevier“.