Ein weiterer Tod im Off-Lager?

■ Mietforderungen bedrohen die Existenz des theatron / Kulturbehörde hat leider kein Geld

Der Wein zur Premiere wird im theatron aus Plastikbechern getrunken. Die Erklärung dafür ist simpel: Es fehlt eine Leitung, durch die fließendes Wasser ins karge Foyer des Theaters geleitet werden könnte, um Gläser abzuwaschen. Doch dem Theater stehen Schwierigkeiten ins Haus, die über die improvisierte Bewirtung der Gäste weit hinaussreichen. Im Oktober dieses Jahres läuft der Mietvertrag mit der Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg), dem städtischen Sanierungsträger für das Karoviertel, aus, womit eine existentielle Bedrohung für die Off-Bühne im Karoviertel verbunden ist.

1986 war das theatron in die Glashüttenstraße eingezogen. Ohne finanzielle Unterstützung trug sich die Bühne vor allem über die Einnahmen des anliegenden mexikanischen Restaurants Viva –l Taco. Der damals auf 2,94 Mark festgelegte Quadratmeterpreis soll nun nach Vorstellungen der Steg wahlweise auf 13 (bei Übernahme der Sanierungskosten von 300.000 Mark durch das theatron) oder 15 Mark erhöht werden. Das wäre, so Sarah Picard, eine der Leiterinnen der Bühne, der „finanzielle Ruin“ für das Theater.

Doch die Gegenseite sieht wenig Verhandlungsspielraum. Als treuhänderisches Unternehmen sei die Steg auf eine kostendeckende betriebswirtschaftliche Kalkulation angewiesen, verweist Steg-Pressesprecher Rüdiger Dohrendorf auf die städtischen Rechnungsprüfer.

Der Kulturbehörde liegt das Schicksal des theatron natürlich am Herzen, doch das reicht nicht, um Geldtöpfe zu öffnen. Bei der begrenzten Mittellage, so Pressesprecher Ingo Mix, sei eine finanzielle Unterstützung des Theaters kaum denkbar. Erst recht, da es eine Neufinanzierung wäre – in der Vergangenheit sind sämtliche Anträge auf Förderung von der zuständigen Jury abgelehnt worden. Dieser Entscheidungsstand sei „nicht richtig oder falsch, aber phantasielos“ – so kleidet Andy Webb, Co-Leiter des theatron, seine Kritik an der Behörde in hübsche Worte.

„Die Kulturbehörde kann sich gerne mit an den Tisch setzen und reden. Helfen tut's aber nur, wenn sie Geld mitbringt“, meint auch Dohrendorf. Der konkrete Mietpreis sei allerdings noch verhandelbar, bemüht er sich, die Fronten aufzuweichen, ohne falsche Hoffnungen zu wecken. „Wir werden bis an die Grenze dessen gehen, was uns möglich ist“, so der Steg-Sprecher, „aber mit sechs oder sieben Mark pro Quadratmeter rechnet sich das nicht für uns.“

Neben dem künftigen Mietpreis ist zwischen Steg und theatron auch die Zukunft des Gebäudes umstritten. Aus städtebaulichen Gründen fordert die Steg zur „Belichtung und Belüftung des Innenhofes“ den Abriß der Hinterbühne. Für das theatron würde dies neben der Verkleinerung der Bühne auch den Verlust des Kulissenzwischenlagers bedeuten. Um Raum zu gewinnen, schlug die Steg unterdessen einen Umbau des Kellers für WCs und Umkleidemöglichkeiten vor.

Das theatron arbeitet derweil an einem neuen Finanzierungskonzept, das der Steg vorgelegt werden soll. Zukünftig wird der Komplex auch für geschlossene Gesellschaften zu mieten sein: Hochzeiten, Tanzpartys und ähnliche Veranstaltungen sollen so als Geldquellen erschlossen werden.

Dem gerade renovierten theatron, in dem zur Zeit das Lateinamerikanische Kultur-Festival stattfindet, wird das aber nicht genügen, um weiterhin „neo-klassisch“ (Picard) orientiert Gastspiele beherbergen zu können oder gar Eigenproduktionen zu konzipieren. Schon in der Vergangenheit gab es aufgrund des Geldmangels jährlich nur ein bis zwei hauseigene Inszenierungen.

So entstand ein buntes Gemisch von Stücken, die an der Glashüttenstraße Premiere feierten: Von Aristophanes' Fröschen über Millers Hexenjagd bis zu Woody Allens Gott. Sarah Picards Wunschprojekt harrt allerdings noch der Verwirklichung: Lessings Nathan der Weise. Folke Havekost