Angeblich Angst

■ Neo-Nazi André Goertz durfte sich erneut vor dem Amtsgericht produzieren

Unsicherheit bei Prozessen kennt André Goertz schon lange nicht mehr. Auch nicht gestern vor dem Amtsgericht. Dafür stand der ehemalige Landesvorsitzende der inzwischen verbotenen Freiheitlichen Arbeiterpartei Deutschlands (FAP) schon zu häufig als Angeklagter vor Gericht.

So im vergangenen Jahr, als der 25jährige, der zu den führenden Köpfen der norddeutschen Neo-Nazi-Szene zählt, von Amtsrichter Albrecht Kob wegen eines „Kühnen-Grußes“ verurteilt worden war. Für bundesweite Aufregung sorgte im Februar '95 das „Auschwitz-Mythos-Urteil“ desselben Richters, der Goertz vom Leugnen des Holocaust' freigesprochen hatte. Gestern mittag trafen die beiden wieder aufeinander. Es ging um Beihilfe zum Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und Widerstand gegen die Staatsgewalt.

Am 15. April 1994 hatte das „Antifaschistische Bündnis“ zu einer Demo gegen das „Nationale Infotelefon“ aufgerufen, das in einer Wohnung an der Eiffestraße installiert war. Die Nazis rückten zur „Verteidigung“ an. Auf dem Weg dorthin wurde das Auto des Rechtsradikalen von einem Zivilbeamten angehalten. Mit „zur Eigensicherung“ gezückter Waffe forderte der Beamte ihn auf, das Fahrzeug zu verlassen. Doch daran dachte Goertz nicht und wollte wieder anfahren. Ein weiterer Polizist trat daraufhin eine Scheibe ein und zerrte ihn hinaus. Dagegen wehrte sich Goertz, der wegen des „Prügeleinsatzes“ Strafanzeige stellte. Bei der Durchsuchung des Autos, in dem noch „zwei Kameraden“ saßen, wurden ein Axtstiel, zwei kinderfaustgroße Steine, eine feuerlöscherähnliche Flasche mit CS-Reizgas und Knallkörper gefunden.

In der gestrigen Verhandlung zeigte sich Goertz weniger martialisch, sondern als Opfer „dreckiger und schmutziger Linksextremisten“ und der Polizei. Bei seiner Verhaftung habe er „Angst bekommen“. Er würde darunter „leiden“, daß der Staatsschutz ihn observiere. Allzu verängstigt wirkte er jedoch nicht, im Gegenteil, er schien seinen Auftritt zu genießen. Die Arme ruhten ausgestreckt auf der Lehne der Anklagebank, ab und zu suchte er Blickkontakt zu seinem Anwalt Jürgen Rieger, der ihm ein echter Rechts-Beistand ist. Gesinnungsgennossen wie Goertz sind seine Klientel. Ein Urteil gab es gestern jedoch nicht. Die Verhandlung wurde nach der Vernehmung eines Zeugen auf den 31. August vertagt. wap