Backen wie jüngst bei Klinsmann zu Hause

■ Die Home-Brotbackmaschine erobert den deutschen Privathaushalt / Mischen, kneten, formen, backen: alles vollautomatisch und nach eigenem Rezept / Noch aber schläft die Bäckers-Zunft ruhig

Droht dem Bäckerhandwerk der schleichende Niedergang? Die Gefahr ist real. Steht doch auf dem Küchentisch der innovativen Hausfrau – neben Joghurttrommel und Wasser-Mineralisierer – seit kurzem ein neues Folterinstrument für kulinarische Rohstoffe: der vollautomatische Brotbackautomat. Was beim ersten Hören eher ein belustigtes Grinsen hervorrufen mag, erscheint auf den zweiten Blick nicht so absurd – zumindest wenn der Apparat wirklich hält, was die Werbung verspricht. Schon für lächerliche Anschaffungspreise zwischen180 Mark und 400 Mark komme der potentielle Kunde in den Besitz seiner eigenen Bäckerei in Kleinformat. Die einzige Arbeit bestehe darin, die Maschine mit den Zutaten zu füllen, den Rest übernehme „der Brot- und Kuchenbäcker“.

Vollautomatisch wird gemischt, geknetet, geformt und schließlich gebacken. Die Vielfalt der Brotwahl scheint grenzenlos, vom Durchschnittsschwarzbrot bis zum Vollkorn- Kräuterbrot ist alles möglich, sogar vor Anforderungen wie Pizzateig und Fladenbrot schreckt der Brotbackautomat nicht zurück. Teilweise sind bis zu 19 Stunden Zeitvorwahl möglich. Abends schüttet man die Zutaten in die Maschiene und – klingelingeling – am nächsten Morgen begrüßt einen der Duft frischgebackener Semmeln. Das klingt doch wunderbar, oder? Jederzeit frisches warmes Brot, alle Zutaten sind bekannt, finanziell soll es sich auch noch lohnen und – vor allem! – der morgendliche Gang zum Bäcker gehört der Vergangenheit an. Bangt jetzt also das Bäckerhandwerk vor der kleinen Elektronik-Konkurrenz?

Die Biobäcker von „Holon“reagieren gelassen: „Es wird keine Beeinträchtigung geben, weil diese Maschinen meistens nur einen Knet- und keinen Mischvorgang haben. Aber es gibt durchaus Fans, die durch Tüfteleien den etwas faden Geschmack des Brotes ausgleichen“. In die gleiche Kerbe haut auch Thomas Stockinger, Marketing-Leiter einer großen Bäckerei mit mehreren Filialen: „Wir erwarten keine Einbußen, weil die einzelnen Zutaten nicht so billig sind, daß es sich finanziell rentiert. Aber auch in meinem Freundeskreis werden diese Maschinen genutzt. Erleichtert sind vor allem Allergiker, die ihr eigenes Brot backen, um sicherzugehen, daß keine falschen Zutaten verwendet werden. Ich bin mir aber sicher, daß der Großteil der Leute sein Brot weiterhin beim Bäcker kauft“. Ist der Brotbackautomat also ein Produkt für Eigenbrödler und Allergiker? Martin Thielmann, Sprecher eines asiatischen Elektronikkonzerns für Brotbackmaschinen findet, daß auch ihre pragmatischen Seiten nicht zu unterschätzen seien: „Sie sind halt einfach zu handhaben. Ist es nicht wunderbar, morgens das Brot schon auf dem Tisch zu haben?“Natürlich habe er selber auch so eine Zaubermaschine zu Hause. „Aber ich benutze sie nicht so oft, weil meine berufliche Belastung das nicht zuläßt“. Ist etwa doch nicht alles vollautomatisch?

Martin Thielmann betont, daß die Mini-Backstube in Deutschland bereits seit mehr als 10 Jahren erhältlich ist, einen Boom gäbe es aber erst seit knapp 3 Jahren. Das hänge mit der immer größer werdenden Konkurrenz zusammen, die den Preis nach unten treibe. Auch in den Bremer Fachgeschäften ist dieses erhöhte Käuferinteresse zu spüren. So manches Modell ist zeitweise glatt ausverkauft.

Tja, der Brotbackautomat scheint eine attraktive Alternative zum herkömmlichen, zeitaufwendigen Brotbacken zu sein. Das Bäckerhandwerk aber gibt sich gelassen: (Noch) sei die Zunft nicht akut bedroht. Da wird Jürgen Klinsmann, langjähriger Sympathieträger der Bäcker-Innung, aufatmen und weiterhin große Brötchen backen. Kai Dahme