■ Kiffer's Corner
: Eleusische Tempel

Mathias Bröckers, dessen „Hanfbuch“ mittlerweile 130.000mal verkauft wurde, ist ganz in Blauhanf gekleidet. Ab und an, wenn seine 12 Mitarbeiter sich mal wieder eine stärkere Hanfführung wünschen, geht er zum Punchingballsack und haut dagegen, was ich mir allerdings nur ausgedacht habe.Irgendwo liegt die poppige italienische Ausgabe des „Hanfbuches“. Auf dem Bildschirm grüßt die griechische Homepage des Hanfhauses. Dann klickt Mathias, den alle nur Bröckers nennen, interessante Drogeninternetadressen an: drcnet.org/, druglibrary.org, paranoia.com/drugs/ usw. Sehr interessant. Braucht man aber auch nicht unbedingt. Der Familienvater geht jedenfalls davon aus, daß jeder sowieso schon connected sei. Nur seien die „Empfangsschüsseln“ bei den meisten Menschen verkümmert.

„Der Nutzhanf geht zwar fröhlich voran, doch die eigentlichen Arbeitsplätze schaffen die USA, indem sie Hunderttausende wegen Marihuanavergehen einknasten und in Privatknästen arbeiten lassen für ein paar Pfennige. Absurd auch, daß die Firma von George Bush chemische Hanftabletten herstellt, die Glaukompatienten verschrieben werden. Eine Packung mit 20 Kapseln kostet 890 Mark. Das gleiche würde man in der Hasenheide für 20 Mark kriegen.

Natürlich gibt es den klassischen Fall des sogenannten „demotivationalen Syndroms“ bei Kiffern. Nur kommt das in erster Linie daher, daß Cannabis eben ohnehin vorhandene Tendenzen verstärkt. Wenn du sowieso lieber abhängst und keinen rechten Plan hast und regelmäßig kiffst, fällt dir natürlich noch viel weniger ein. Wenn Leute also kein Ziel haben und kiffen, verlieren sie es noch mehr aus den Augen. Umgekehrt kann Hanf dich auch bestärken in der Arbeit. Früher gab es Setzer in der taz, die viel schneller tippen konnten, wenn sie einen geraucht hatten. Wenn ich allerdings einen geraucht hatte und mußte tippen, habe ich 38 Tippfehler pro 40 Zeichen gemacht.

Hanf wirkt also auf beide Nervensysteme. Es ist sowohl beruhigend als auch anregend. Deshalb kann Hanf auch so unterschiedliche Sachen wie Übelkeit unterdrücken und Appetit anregen. Eine tolle medizinische Wirkung für Leute, die keinen Appetit haben. Wolfgang Neuss hatte seinen Unterleibskrebs mit Hanf behandelt. Tornado-Günther, der Aids hatte, hatte auch viel gekifft und sein Leben dadurch vielleicht um ein Jahr verlängert. Viele sind genervt von den Nebenwirkungen. Daß das Kurzzeitgedächtnis zuweilen ausfällt, daß man planlos durch die Wohnung läuft, daß man Durst und Hunger kriegt oder spitz wird. Man kann das aber ganz gut kompensieren. Neuss hat mal die Theorie entwickelt, daß das Ausfallen des Kurzzeitgedächtnisses auch seine Vorteile hat. Der Gedanke ist zwar erst mal völlig weg, kommt aber nach einer gewissen Zeit besser wieder. Der wird nur einmal durchgeschleudert. Außerdem läßt sich diese Dekonzentration ja auch zu einer gesteigerten Form von Konzentration nutzen. Bekifft geht man ja manchmal völlig auf in der Sache, die man gerade macht.

Viele meinen, daß man als Kiffer nicht mehr träumen würde. Das ist natürlich Quatsch. Du schläfst nur einfach einen Zacken tiefer, wenn du geraucht hast, und erinnerst dich dann nicht mehr an deine Träume. Drogen verstärken vor allem Gefühle, die vielleicht in jedem organischen Lebewesen drin sind. Irgendeine Bioenergie – wie immer man das auch nennen will. Diese ozeanischen Gefühle haben durchaus auch was mit Moral zu tun. Wenn man das einmal erlebt hat, kriegt man ja eine Ahnung davon, wie es eigentlich sein müßte.

Damit hatten die auch in den alten Mysterienkulten wie Eleusis gearbeitet, wo man LSD nach einem sechsmonatigen Vorbereitungskurs genommen hatte. Dieser Anschluß des menschlichen Bewußtseins an die Stimmen der Natur, an die ganze Biosphäre, der ist abgebrochen wurden. Ich denke, daß man solche eleusischen Tempel wieder einrichten sollte, wo jeder in diese Dinge eingeweiht werden könnte. Wo man seinen Drogenführerschein macht. So eine Art spiritueller Zivildienst. Das muß gar nicht unbedingt mit Drogen zu tun haben.“ Protokoll: Detlef Kuhlbrodt