■ Schnittplatz
: Klagende Schwimmer

„Ich habe es noch nie erlebt“, hat Harm Beyer noch nie erlebt, „daß ein ganzes Land mit so viel Voreingenommenheit und so wenig Anstand Vorverurteilungen hinausbläst wie die Australier.“ Dabei ist es ja ein ganzer Kontinent, der eine anständige deutsche Rückverurteilung quasi herausfordert. Was nämlich der deutsche Schwimmfunktionär im Stern beklagt, ist überall zu lesen. Das deutsche Team sei „bissigen Angriffen australischer Medien“ ausgeliefert, in „Riesenschlagzeilen“, weiß dpa. Da wird „nichts Gutes vermeldet“, assistiert die Berliner Zeitung: „Deutschland, Dopingland“.

„Noch nie ist eine Gesandtschaft des deutschen Sports so heftig attackiert worden wie die Schwimmfreunde vor ihrem WM- Auftritt in Perth“, berichtet die Süddeutsche, sie würden als „hartgesottene Betrügergemeinschaft“ dargestellt. Im Mittelpunkt allen australischen Interesses, weiß man hierzulande, stehen die Deutschen, ein bißchen auch die Chinesen, aber im Grunde nur die Deutschen. Doch die Belege dafür sind eher spärlich. Meist ist allgemein von „den Zeitungen“ und „der Presse“ (Berliner Zeitung), „den Australiern“ (SZ), „den Medien“ (Spiegel) und „der Öffentlichkeit“ (Neue Zürcher) die Rede, nur einmal berichtete die SZ von einem Leitartikel im West Australian, der Lokalzeitung von Perth.

Schaut man sich die großen australischen Zeitungen an, ist man enttäuscht. Da wird zwar viel über „drugs in the pool“ u.ä. geschrieben, aber eine „Pogromstimmung“ (Harm Beyer im Stern, laut dpa hat er sogar „Progomstimmung“ gesagt) findet man nicht. Eher schon leise Verwunderung, warum die deutschen Schwimmer ihre Klage, die Australier seien gegen sie, auch der dortigen Presse erzählen. Jörg Hoffmann etwa, nachdem er über 200 Meter Freistil disqualifiziert wurde, erklärte dem Sydney Morning Herald, die australischen Journalisten und der Weltschwimmverband seien an seinem Ausschluß schuld: „This is their way of getting back at me.“ Im gleichen Bericht schrieb die Journalistin ganz sachlich, daß Hoffmann der einzige war, der nicht den Luxus eines weiteren Starts erhielt.

So viel hinausgeblasene sachliche Berichterstattung hat man noch nie erlebt. Martin Krauß