Montenegriner hoffen jetzt auf einen Wandel

■ Die Erwartungen an den neuen Präsidenten sind hoch, seine Chancen, Reformen durchzusetzen, gut. Mit den gewalttätigen Demos haben seine Gegner den letzten Kredit verspielt

Podgorica (taz) – Nach den militanten Demonstrationen der Anhänger des alten Regimes vom Vortag ging die Amtsübernahme des neuen Präsidenten der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro am Donnerstag abend in Cetinje doch noch glatt über die Bühne. Die Amtsübernahme von Milo Djukanović wurde von seinen Anhängern gefeiert und von den Milošević-Gegnern aus Belgrad, Vojislav Šešelj, Zoran Djindjić und Vuk Drasković unterstützt. Die Anhänger des alten Präsidenten Momir Bulatović und von Slobodan Milošević ließen sich bei den Feierlichkeiten nicht blicken.

Damit ist auch die Grenze markiert, die zur Zeit in der Innenpolitik der Republik Jugoslawien bestimmt. Daß der rechtsradikale Vojislav Šešelj die Amtseinführung Djukanović' ebenso wie der Chef der Demokraten, Zoran Djindjić, begrüßte, weist paradoxerweise auch auf die tiefen Gräben in diesem Lager hin. Denn alle sich in Belgrad bekämpfenden Fraktionen des Anti-Milošević- Lagers haben die Tendenz, den neuen Mann an der Spitze Montenegros für sich zu vereinnahmen.

Milo Djukanović will sich auf so etwas jedoch nicht einlassen. In seiner Rede stellte er erneut heraus, daß es ihm vor allem um die Zukunft Montenegros geht. Der von Belgrad gegängelte Kleinstaat soll wieder an seine freiheitlichen Traditionen anknüpfen. „Demokratie und die Anbindung an Europa“ sind nicht nur Schlagworte des neuen Mannes, sie repräsentieren eine Tendenz in der montenegrinischen Gesellschaft, die nicht erst heute entstanden ist.

Die Tradition des eigenständigen Denkens spiegelte sich sogar während des Krieges in Bosnien- Herzegowina. 1993 trat die Opposition für einen sofortigen Waffenstillstand und ein integriertes Bosnien-Herzegowina ein, schlug Wirtschaftsbeziehungen zu Kroatien vor und hoffte auf Unterstützung aus dem Westen.

Mit dem Machtwechsel sind in der Gesellschaft jetzt viele Hoffnungen geweckt. Diese Erwarungen werden den neuen Mann auf die Probe stellen. Und seinen Gegnern Milošević und Bulatović die Gelegenheit geben, seine Politik zu torpedieren. Das von Milošević ins Spiel gebrachte Mittel der Wirtschaftssanktionen gegen die von Serbien abhängige Republik – an den serbisch-montenegrinischen Grenzen sind Kontrollstellen aufgebaut – könnte den wirtschaftspolitischen Spielraum von Milo Djukanović schon bald radikal schrumpfen lassen. „Die sich verschärfende soziale Krise“, so Zoran Djindjić gegenüber der taz, „könnte durch Milošević in seinem Sinne ausgenützt werden.“

Es gibt ja noch die Anhänger des alten Regimes. Zwar waren es nur 10.000 Demonstranten, die die Amtsübernahme Djukanović' verhindern wollten. Aber in den von der Krise besonders betroffenen Schichten konnte Bulatović jene mobilisieren, die mit Gewalt gegen die Polizei vorgingen.

Machtpolitisch hat der alte Präsident aber dabei einen großen Fehler begangen. Denn die bisher die alte Macht stützenden Polizeikräfte sind jetzt ins Lager von Djukanović übergeschwenkt. Und aus dessen Umkreis wurde sogleich das Gerücht gestreut, Bulatović solle festgenommen werden. Von den Medien hat Djukanović bei einer solchen Maßnahme nichts zu befürchten. Er hat sie ohnehin im Griff. Daß mit dem Machtwechsel die Demokratie ausgebrochen sei, ist ja auch nicht zu erwarten, dämpften ausländische Diplomaten die Hoffnungen über den Wandel in Montenegro. Immerhin sei ein erster Schritt zur Demokratisierung unternommen worden. Erich Rathfelder