Keine Hormone in Europas Steaks

■ Importverbot für Hormonfleisch verstößt zwar laut WTO gegen den Welthandel. EU darf es dennoch beibehalten, wenn sie das dadurch verursachte Krebsrisiko wissenschaftlich belegt

Berlin/Brüssel (taz/AP) – EuropäerInnen müssen weiterhin kein Fleisch von hormonbehandelten Rindern essen. Die Europäische Union will ihr Importverbot für Hormonfleisch aufrechterhalten – obwohl die Welthandelsorganisation (WTO) entschieden hat, daß der Boykott gegen den freien Welthandel verstößt. Das gab die Europäische Kommission gestern bekannt. Die Handelswächter haben der Union aber eine Gnadenfrist eingeräumt: Innerhalb von 15 Monaten soll sie beweisen, daß Rückstände von Wachstumshormonen in Steaks und Rouladen Krebs verursachen können. Wenn ihr das gelingt, darf sie das Fleisch weiterhin verbieten.

Damit hat Europas Verbraucherschutz einen entscheidenden Sieg errungen, freute sich die EU- Kommission. Denn zum ersten Mal will die WTO auch Meinungen von einzelnen Wissenschaftlern anerkennen, sofern sie begründet und seriös sind. Die EU gehe davon aus, daß der Streitfall damit nun erledigt sei, sagte der Chefsprecher der Kommission, Klaus van der Pas. Auch die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AGV) ist optimistisch. Schließlich „gibt es bereits Untersuchungen, die den Krebsverdacht zu bestätigen scheinen“, bekräftigte gestern Ernst-Michael Epstein, AGV-Referent für Lebensmittel.

Mit der WTO-Entscheidung ist die Europäische Union knapp an einer folgenschweren Niederlage vorbeigeschlittert. Hätte die Handelsorganisation die sofortige Einfuhr von Hormonfleisch verlangt, wären möglicherweise zugleich andere Lebensmittel in europäischen Läden gelandet, die bisher verboten sind, wie gechlorte US-Hähnchen. Noch im August vergangenen Jahres hatte das WTO- Schiedsgremium eine Aufhebung des Importverbots gefordert. Dagegen hatte die EU Berufung eingelegt.

Die USA halten die Krebsgefahr durch Hormonfleisch für ein vorgeschobenes Argument. Brüssel schiebe den Verbraucherschutz nur vor, um die heimische Fleischindustrie vor auswärtiger Konkurrenz zu schützen. 250 Millionen Mark entgingen den amerikanischen Viehzüchtern dadurch.

Die WTO-Berufungsinstanz erkannte jedoch an, daß „die Regierungen der Mitgliedsländer ein souveränes und autonomes Recht haben, ein Niveau zum Schutz der Gesundheit anzusetzen, das höher liegt als das Niveau internationaler Gesundheitsstandards“. Die Risikoeinschätzung für die menschliche Gesundheit dürfe nicht nur auf lebensfernen wissenschaftlichen Studien oder Laborexperimenten beruhen, sondern müsse die tatsächlichen Umstände berücksichtigen. juw