Kampf um die Schlafzimmer

Bei der Bundestagsdebatte zum Lauschangriff standen die Gegner auf verlorenem Posten. Grüner sieht „das intime Gespräch zwischen Eheleuten“ in Gefahr  ■ Aus Bonn Bettina Gaus

Auf den Bänken der CDU/ CSU-Fraktion verfolgten kaum mehr als 20 Abgeordnete die gesamte Bundestagsdebatte über den Großen Lauschangriff. Die Aussprache war nur noch eine Formsache, obwohl an ihrem Ende immerhin eine Verfassungsänderung stand, die die Unverletzlichkeit der Wohnung neu regelt. Nachdem sich die Regierungskoalition mit der SPD geeinigt hatte, war die notwendige Zweidrittelmehrheit für die Änderung des Artikels 13 gesichert – allen Protesten von Berufsverbänden zum Trotz. Berufsstände wie beispielsweise Therapeuten, Anwälte und Journalisten sehen durch mögliche Abhöraktionen ihr Zeugnisverweigerungsrecht ausgehöhlt.

Gegner der neuen Gesetze warnten gestern im Parlament noch einmal eindringlich vor den möglichen Folgen der Verfassungsänderung. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die als Justizministerin wegen des geplanten Lauschangriffs zurückgetreten war, sprach für eine Minderheit in der FDP, die dem Gesetz nicht zustimmen wollte. Sie wies darauf hin, daß künftig auch Wohnungen von Unbeteiligten abgehört werden können. „Es kann eben jeden treffen.“

„Wenn das intime Gespräch unter Eheleuten in der eigenen Wohnung nicht mehr möglich ist ohne Furcht vor heimlicher Überwachung, wäre Orwells ,1984‘ mit einiger Verspätung eingetreten“, sagte Manfred Such von den Bündnisgrünen. „Ein solcher Verlust der Privatsphäre würde die Menschenwürde beschädigen. Die Wanze im Schlafzimmer würde diese Republik verändern.“

Otto Schily von der SPD mahnte dagegen zu „etwas mehr Nüchternheit“ in der Debatte. In Ausnahmefällen müsse der Schutz der Privatsphäre zurückstehen, „wenn es um den Schutz von Leben und Freiheit der Bürgerinnen und Bürger geht.“ Ein dichtes rechtsstaatliches Kontrollsystem verhindere Mißbrauch des Gesetzes. „Wenn sich der Pulverdampf verzogen hat, werden sich alle wieder beruhigen und feststellen, daß alle Schreckensszenarien nichts mit der Realität zu tun haben.“

„Ganz ohne Aufregung, wie Sie es wünschen“, antwortete darauf Burkhard Hirsch (FDP) mit milder Ironie, es sei keine Beruhigung, daß Abhörfälle wohl „nicht so oft“ passieren würden: „Dieses Grundrecht, daß ein Mensch einen Ort hat, wo er sich offenbaren kann, ist doch keine Frage der Statistik.“

Befürworter der Verfassungsänderung wie Justizminister Schmidt-Jortzig (FDP) und Innenminister Kanther (CDU) wiesen auf die Pflicht des Staates hin, die Bürger vor organisierter Kriminalität zu schützen. Demgegenüber bezweifelte Hermann Bachmaier, einer der Gegner der Verfassungsänderung in der SPD, daß der Lauschangriff Kriminalität bekämpfen hilft. Eine grundsätzliche Frage warf Gregor Gysi von der PDS auf: „Gibt es seit 1990 eine einzige Entscheidung des Deutschen Bundestages, wo ein Grundrecht ausgebaut wird? Seit 1990 gibt es immer nur Einschränkungen.“ Ob die gestern vom Parlament beschlossene Verfassungsänderung Gesetzeskraft erlangt, hängt nun vom Bundesrat ab. Wie die Entscheidung dort ausfällt, ist noch offen. Kommentar Seite 12